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Zuckerpüppchen - Was danach geschah

Zuckerpüppchen - Was danach geschah

Titel: Zuckerpüppchen - Was danach geschah
Autoren: Heidi Hassenmüller
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die Tür hinter sich.
    Später lag er vor ihr auf den Knien, umschlang mit beiden Händen ihre Beine. “Ich weiß nicht, was über mich gekommen ist. Du mußt mir das glauben. Der Alkohol, die animierende Stimmung, sie provozierte mich.” Seine Stimme klang erstickt, sie befürchtete, daß er weinte. Gaby klammerte sich am Küchentisch fest. Ich muß das durchstehen, dachte sie. An kleine weiße Schäfchen denken, die über grüne Wiesen springen, goldene Glöckchen bimmelten um ihre Hälse und seidige Felle schimmerten in der Sonne. Ganz intensiv mußte sie daran denken, so wie früher, dann konnte ihr nichts wirklich geschehen. Dann war sie weit fort. Fort aus dieser sauberen kleinen Küche, fort aus diesem fremden Land, fort von diesem Mann, der vor ihr auf den Knien lag. “Ich beschwöre dich, Gaby, Gabylein, du mußt mir das verzeihen! Ich liebe nur dich, ich begehre nur dich. Nur mit dir will ich das alles erleben. Es ist so wunderbar mit dir.”
    Er stand langsam auf, klopfte seine Knie ab, wollte sie an sich ziehen. Sie spreizte ihre Finger wie ein Gitter vor sich. “Faß mich um Gottes willen nicht an.” Er trat einen Schritt zurück. “Du weißt doch, was du mir bedeutest”, hörte sie ihn fortfahren. “Hätte ich dich sonst geheiratet, dir und deinen Kindern hier ein neues Zuhause gegeben? Ich will doch alles für dich tun, das weißt du doch! Ich bin ein Esel.” Er lachte unsicher auf. “Ein übermütiger Esel, der sich aufs Eis gewagt hat. Aber wir beide wissen doch, daß so etwas nicht wirklich etwas mit uns zu tun hat. Zwischen uns, mein Kleines, das ist doch etwas ganz anderes.” Mir wird übel, dachte Gaby, ich muß mich erbrechen. Sie schaffte gerade noch die wenigen Schritte zur Toilette, sank vor dem WC-Becken in die Knie und würgte und spuckte und weinte. Hubert war ihr gefolgt. “Mein armer Liebling”, er strich ihr die feuchten Haare aus der Stirn. “Du mußt dich nicht so aufregen. Es bedeutet nichts. Nichts.”
    Dann stützte er sie und führte sie zu der Couch ins Wohnzimmer. Sie fühlte sich schwach und elend. Ihr Widerstand war ausgespuckt. So war es, alle taten es. Natürlich liebte er sie. Auch Pappi hatte sie geliebt. Aber Hubert hatte versprochen, ihr nie weh zu tun. “Ich schwöre dir, ich tue es nie wieder”, hörte sie ihn an ihrem Ohr murmeln. “Ich war ein Narr, ich will dich nie verlieren.” Ich muß es vergessen, dachte sie. Dies ist nur ein kurzer, böser Alptraum. Wenn sie wach wurde, war sie wieder glücklich. Glücklich mit Hubert. Zwei Monate und zwanzig Tage trug sie seinen Namen. Liebe, Treue und Achtung sind die Grundpfeiler einer jeden Ehe, hörte sie den Standesbeamten sagen. Auf denen baut man eine Ehe auf. Dies eben war nicht geschehen, ein Ausrutscher. Er war ihr Mann, ihr wunderbarer, lieber, zärtlicher Mann. “Ich bekomme ein Kind”, sagte sie. Die elektrischen Weihnachtskerzen flackerten.

    Ganz still wurde sie in der großen dunklen Eingangshalle des alten Herrenhauses. Ernst blickende Patrizier sahen aus breiten Goldrahmen mißbilligend auf den Eindringling herab. Feine Speerspitzen an den Wänden schienen nur darauf zu warten, sie zu durchbohren. “Mein Urgroßvater war Konsul in Afrika”, erklärte ihr Hubert. “Paß auf, der Elefantenfuß stammt noch aus der Zeit.” Entsetzt wich Gaby einen Schritt zurück und stieß dabei gegen einen breiten Schrank. “Vorsicht, unser japanischer Schrank, angeblich ein kaiserliches Geschenk an einen Großonkel. Aber komm jetzt, meine Mutter erwartet dich.”
    Später, viel später, fragte Gaby sich oft, warum es ihr nicht gelungen war, die Liebe oder zumindest die Achtung dieser Frau zu gewinnen. Warum sie ihr selbst in den dunkelsten Tagen nicht einen Finger reichte.
    Die erste Begrüßung war wohlwollend, beinahe freundlich. “Wie jung Sie aussehen. Gar nicht wie eine geschiedene Frau mit zwei Kindern.” Ein liebevoller Blick zu ihrem Sohn. “Er hat mich richtig neugierig auf Sie gemacht. Ihr habt in der Zwischenzeit sogar schon geheiratet?” — “Ohne großes Brimborium”, sagte Hubert. “Wir wissen ja, was wir aneinander haben.” — “Ihre Eltern leben nicht mehr?” — “Mein Vater ist im Krieg gefallen”, antwortete Gaby wahrheitsgemäß. Es tat ihr noch immer gut, das zu sagen. Ihr Vater war tot, er hatte mit all dem Unaussprechlichen in ihrer Kindheit nichts zu tun. “Und meine Mutter ist vor fünf Jahren gestorben. Krebs”, fügte sie nach einem Moment hinzu.
    Sie
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