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Zu Schnell

Zu Schnell

Titel: Zu Schnell
Autoren: John Boyne
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ist?«, fragte ich sie.
    »Wann habe ich das gesagt?«
    »An dem Tag, als wir uns im Park getroffen haben. Du hast gesagt, du bist schuld an allem, nicht meine Mutter. Wie hast du das gemeint?«
    Jetzt wusste sie offenbar nicht weiter und schaute weg. Aber dann drehte sie sich wieder zu mir und nickte. »Weil ich …«, begann sie, doch bevor sie weiterreden konnte, öffnete sich die Seitentür, und ich hörte, dass Dad aus dem Haus kam.
    »Danny?«, rief er. »Danny, bist du hier draußen? Was machst du denn so lange?«
    »Also – vier Uhr, Montagnachmittag«, flüsterte Sarah noch und fasste mich am Arm. »Wir treffen uns vor dem Krankenhaus. Dann erkläre ich dir alles, versprochen.«
    Und schon rannte sie die Straße hinunter.
    »Danny!« Dad kam auf mich zu, »Was stehst du ganz allein hier draußen rum? Komm wieder ins Haus.«
    Ich nickte. »Bin schon da.«

Kapitel 8
    Ich kam ziemlich früh zum Krankenhaus. Sarah wartete schon auf mich. »Er hat ein Einzelzimmer«, sagte sie, als wir den Fahrstuhl betraten und in den sechsten Stock hochfuhren. »Du brauchst also keine Angst zu haben, dass dich jemand sieht. Überhaupt – ich bin superfroh, dass du da bist«, fügte sie hinzu. »Ich finde es immer ganz furchtbar, wenn ich bei diesen Besuchen allein bin.«
    Wir gingen in Andys Zimmer. Wortlos starrte ich auf den kleinen Jungen, der da im Bett lag. Er sah aus, als würde er schlafen. Wenn er nicht an die ganzen Schläuche und Maschinen angeschlossen gewesen wäre, hätte ich geschworen, ich müsste ihn nur an den Schultern packen und ein bisschen schütteln, dann wäre er sofort aufgewacht. An einem Haken hing ein Beutel, und aus diesem Beutel tropfte eine Flüssigkeit langsam in seinen Arm. Ein Gerät rechts von ihm piepte immer wieder sehr aufdringlich und hatte einen Bildschirm mit lauter Zahlen und Linien, die sich dauernd veränderten.
    »Das ist Andy«, sagte Sarah und drehte sich zu mir um. »Was ist los?«
    »Müssen wir nicht ein bisschen leiser sein?«, flüsterte ich. »Wir dürfen ihn doch nicht stören.«
    Sie lachte, und da merkte ich erst, was ich gerade Blödes gesagt hatte.
    »Danny – wenn er uns hört und aufwacht, dann ist das doch nur gut, oder?«
    »Ja, klar. Entschuldige.«
    »Willst du ihn nicht begrüßen?«, fragte sie.
    »Was? Ich soll Andy begrüßen?«
    »Ja.«
    Ich schluckte nervös. Andy hatte ein kleines rundes Gesicht, seine Haare hatten einen rötlichen Schimmer wie die von Sarah, und er hatte auch Sommersprossen auf der Nase. Sein Mund stand offen, und er trug einen Schlafanzug mit Pu der Bär. So einen Schlafanzug hatte ich auch mal gehabt, als ich noch klein war.
    »Hallo, Andy«, murmelte ich verlegen. Irgendwie war es mir wahnsinnig peinlich.
    »Andy«, sagte Sarah. »Das ist mein Freund Danny. Er ist hier, um dich zu besuchen.«
    »Meinst du, er kann uns hören?«, fragte ich.
    Sie zuckte die Achseln. »Die Ärzte sagen, er hört alles. Und selbst, wenn er nichts hört, schadet es ja nichts, wenn man mit ihm redet, oder? Es ist jedenfalls besser, als wenn man nur stumm rumhockt und nichts sagt.«
    »Stimmt wahrscheinlich«, sagte ich. »Er sieht nicht so aus, als würde ihm was weh tun, findest du nicht auch?«
    »Ja, finde ich auch.« Ihr Gesicht wurde auf einmal ganz traurig. »Ich hoffe wenigstens, dass er keine Schmerzen hat.«
    »Mein Bruder Pete war auch mal im Krankenhaus«, erzählte ich. »Sein Blinddarm musste rausgenommen werden. Er hat deswegen die letzten Wochen im Schuljahr verpasst. Tagelang ist er rumgelaufen und hat gejammert, ihm tue der Bauch so weh, aber niemand hat ihn ernst genommen. Aber dann ist der Blinddarm in der Nacht geplatzt, und Pete hätte sterben können, aber er ist nicht gestorben. Sie haben ihn mit dem Krankenwagen in die Klinik gebracht. Ich weiß nicht, was meine Mutter getan hätte, wenn er nicht wieder gesund geworden wäre. Er ist nämlich ihr Liebling.«
    Ich drehte mich um, weil ich merkte, dass Sarah gar nicht mehr neben mir stand. Sie saß in einem Sessel in der Ecke des Zimmers, die Hände vors Gesicht geschlagen.
    Ich ging zu ihr. »Sarah«, sagte ich leise. »Was ist los? Ist alles okay?«
    »Es war doch nur ein Spiel!«, rief sie und schaute mich verzweifelt an. Sie war blass, aber ihre Augen waren trocken. »Ich wollte das nicht!«
    »Was denn? Was war ein Spiel? Was wolltest du nicht?«
    »An dem Nachmittag, an dem Andy überfahren wurde – wir haben oft solche Spiele gemacht und irgendwelche Mutproben erfunden.
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