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Zu feindlichen Ufern - [3]

Zu feindlichen Ufern - [3]

Titel: Zu feindlichen Ufern - [3]
Autoren: Bastei Lübbe
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wandte sich ihm zu. Der Hut war ihm vom Kopf geflogen, die grau-rötlichen Haare wehten ihm ins Gesicht. »Unser Schiff ist in furchtbarem Zustand, Sir. Noch etwas länger unter diesem Beschuss, und unsere Masten wären verloren gewesen. Viele Männer sind tot oder verletzt. Furchtbar viele, Sir …«
    »Ich weiß, Mr Barthe, dieser Vierundsiebziger wäre fast unser Ende gewesen. Aber solange wir noch navigieren können, ist es unsere Pflicht, den Feind anzugreifen, wo er sich zeigt. Ganz gleich, wie stark die Breitseiten sind.«
    »Ja, Sir, Sie haben recht.« Barthe nickte. Hayden glaubte, sein Master würde in Tränen ausbrechen. »Ich weiß …«, sagte er leise, tippte an seine Schläfe und stieg die Leiter wieder nach unten, um sich um die Reparaturen zu kümmern.
    Eine leichte Brise kräuselte das Wasser, und Hayden spürte, dass sich seine Hände ein wenig fester um die Reling schlossen. Mit bloßem Auge sah er die verbliebenen Wanten, die noch unter Spannung standen. Der Kanonendonner riss nicht ab und schien allmählich etwas Vertrautes anzunehmen. Inzwischen lagen die drei Schiffe keine hundert Yards mehr entfernt, aber aufgrund der losen Wanten würde die Raisonnable nicht viel näher herankommen.
    Hayden schaute sich um, da er sich vergewissern wollte, ob ein feindliches Schiff es auf die Raisonnable abgesehen hatte und plötzlich achteraus auftauchte. Dicker Qualm legte sich wie Nebel über das Wasser, und in jeder größeren Schwade rechnete Hayden mit einem gegnerischen Linienschiff, das sich jeden Augenblick mit seinen todbringenden Breitseiten aus dem Rauch schälen würde. Die Salven auf den drei Schiffen waren so gewaltig, dass man keinen einzelnen Schuss mehr heraushören konnte. Langsam trieben sie in Richtung dieses Donnergrollens, das zu einem schrecklichen Seeungeheuer zu gehören schien.
    Der Wind frischte weiter auf. Hayden spürte ihn im Gesicht und sah, wie er über die Wellenkronen strich. Wenn jetzt eine Bö in die Segel führe, würden die Masten nicht halten. Er sah die Männer in den Topps und auf den Fußpferden, die ihr Leben riskierten und eifrig ihren Aufgaben nachkamen. Keine ihrer Bewegungen wirkte unsicher oder zögerlich. Mit kleineren Leinen zog man das Tauwerk nach oben, über eigens angebrachte Blöcke. Die Männer an Deck zogen mit aller Kraft, und langsam stieg das Tauwerk hinauf, vier Fuß bei jedem »Hievt!«. Ein Tau hatte bereits den Topp des Großmasts erreicht, sodass der Bootsmann mithilfe eines Gehilfen ein notdürftiges Bändsel zurren konnte. Hayden bekam ein schlechtes Gewissen, als ihm durch den Kopf ging, wie froh er war, dort oben nicht den armen Mr Franks zu sehen. Denn der alte Bootsmann war nicht annähernd so kompetent gewesen wie der flinke Mr Bellamy, auch wenn Franks andere Qualitäten gehabt hatte.
    Archer schaute vom Quarterdeck zu Hayden herauf. »Wenn diese Masten nicht brechen, Sir«, rief der Leutnant, »dann wohl nur deshalb nicht, weil ein unsichtbarer Heiliger seine Hand über uns hält.«
    »Sie haben sich ja der Religion zugewandt, wie ich höre, Mr Archer.«
    »Nein, eigentlich nicht, Sir«, lautete die ernüchterte Antwort.
    »Hm. Mr Archer, rufen Sie diese Seesoldaten dort aus dem Fockmars, wenn ich bitten darf. Wenn wir den Fockmast verlieren, landen sie alle im Meer – oder brechen sich sämtliche Knochen an Deck.«
    »Aye, Sir.«
    »Was treibt Mr Hawthorne?«, beklagte sich Hayden bei Gould, der drei Schritte entfernt stand. »Er hätte diese Männer schon längst an Deck rufen sollen.«
    »Ich habe gesehen, dass der Hauptmann unter Deck gebracht wurde, Kapitän«, erwiderte Gould so leise, dass Hayden ihn kaum verstehen konnte.
    Hayden fixierte den Midshipman mit scharfem Blick. »Er wird doch nicht schwer verwundet sein?«
    »Das weiß ich nicht, Sir. Er wurde jedenfalls nicht getragen. Ein Mann stützte ihn, daher denke ich, dass es nicht allzu schlimm ist. Der Doktor wird sich um ihn kümmern, da bin ich mir sicher.«
    Die Heckgalerien der großen Kriegsschiffe tauchten plötzlich bedrohlich auf, verschleiert von beißendem Qualm.
    »Mr Archer. Sorgen Sie dafür, dass unsere Batterien nur auf die Franzosen feuern und nicht auf unser Flaggschiff.«
    »Ich kümmere mich darum, Sir.«
    Haydens Augen tränten in all dem Qualm. Er konnte sich zwar selbst nicht sehen, vermutete aber, dass sein Gesicht wie bei allen anderen auch von einer Schicht aus Schmutz und Schweiß überzogen war.
    Archer war derweil auf dem Vorschiff angekommen,
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