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Zu einem Mord gehoeren zwei

Titel: Zu einem Mord gehoeren zwei
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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vorhin zwei Männer im Innern der Bank gezählt hatte, schaltete nur langsam. Der junge Bankbeamte zögerte keinen Augenblick. Oft genug hatte er einen solchen Augenblick herbeigewünscht, um sich zu bewähren. Ohne sich weiter zu besinnen, schnellte er nach vorn.
    Tomaschewski sah ihn heranfliegen. Panik erfaßte ihn… Der Mann war wesentlich stärker und entschlossener als er selber, das spürte er instinktiv. Schon fühlte er die Schläge; die beiden kräftigen Fäuste des anderen würden ihn schrecklich zurichten. Die lynchen mich hier. Die machen mich fertig… Notwehr! Der Arm mit der Beretta fuhr herum.
    «Nein! Nicht schießen!»
    Doch schon hatte sich Tomaschewskis rechter Zeigefinger um die entscheidenden Millimeter gekrümmt. Der Bankbeamte schrie auf, preßte die Hände auf den Leib und brach zusammen.
    Tomaschewski starrte völlig entgeistert auf ihn hinunter. Den Zusammenhang zwischen seinem Schuß und dem niedergestreckten Menschen konnte und wollte er nicht sehen. Das durfte nicht wahr sein! Es konnte ja gar nicht wahr sein, denn er saß doch noch immer draußen im Wagen. Er hatte gerade eben beschlossen, es nicht zu tun und unverrichteter Dinge nach Hause…
    Der andere Bankbeamte warf noch immer Geldscheine in die Aktentasche. Er fürchtete, ebenfalls niedergeschossen zu werden, wenn er seine Tätigkeit einstellte.
    «Das reicht!» schrie Tomaschewski. Ein Hustenanfall packte ihn. Nur weg von hier, nur weg! Ob der Mann am Boden tot war? Es sah so aus. Mörder! Mörder! Raus hier, raus! Er klappte die Tasche zu und wandte sich zur Tür.
    In diesem Augenblick betrat ein hochgewachsener, elegant gekleideter Mann die Schalterhalle. Er erstarrte. Es dauerte Sekunden, bis er begriffen hatte, was vorgefallen war. Der Mann am Boden sprach eine deutliche Sprache. Um seinem Schicksal zu entgegen, sprang er zur Seite, um dem Bankräuber Platz zu machen. Lieber ein lebendiger Feigling als ein toter Held.
    Doch Tomaschewski verhielt mitten in der Bewegung. Sekundenlang stand er starr wie eine Statue. Das war doch… Er glotzte den Mann an.
    Günther Feuerhahn!
    «Tommy, du…!?» rief Feuerhahn im gleichen Augenblick. Trotz der Strumpfmaske hatte er Tomaschewski erkannt.
    Tomaschewski erwog sekundenlang, Waffe und Tasche wegzuwerfen und aufzugeben. Gib auf. Gib doch auf – es hat doch keinen Zweck mehr!
    Feuerhahn war ebenso ratlos wie er selber. Er war bleich geworden und hatte die Arme leicht angehoben. Am Boden stöhnte und wimmerte der junge Beamte. Sein Kollege stand wie gelähmt hinter dem Schalter. Wie im Wachsfigurenkabinett, dachte Tomaschewski, wie im Wachsfigurenkabinett in London. Was nun? Irgendeiner muß doch jetzt was tun… Seine Augen brannten, Brechreiz quälte ihn. Lange konnte er das nicht mehr aushalten. Mein Gott, wo blieben denn die Polizisten nur?
    Feuerhahn. Dieser verdammte Idiot! Was hatte er hier zu suchen? Dieses blöde Schwein vermasselte ihm die ganze Tour, dieser eingebildete Playboy, dieser Lackaffe… In schneller Folge jagten die Impulse durch sein blockiertes Gehirn. Schieß ihn doch über den Haufen. Ein Toter kann dich nicht mehr denunzieren! Nein, das ging nicht; immerhin hatte ihn Feuerhahn Mathe abschreiben lassen… Oder Latein? Es quälte Tomaschewski, daß er es nicht mehr wußte… Aber jedenfalls konnte er Feuerhahn nicht… Er konnte doch keinen Schulkameraden, keinen Freund… Dann jag dir selber eine Kugel durch den Kopf, und alle Probleme sind gelöst … Los, tu’s doch endlich!
    Tomaschewski schwankte; er mußte einen Schritt zur Seite tun, um nicht zu stürzen. Der Mann am Boden robbte mit letzter Kraft zur Tür, aber er kam kaum voran. Er hielt eine Hand an den Bauch gepreßt; Blut sickerte ihm durch die Finger, und er wischte es über den Boden. Tomaschewski wandte sich ab. Blut – Ekel packte ihn.
    Wie lange mochte er schon so stehen? Nahm ihm denn niemand die Entscheidung ab? Er konnte doch unmöglich davonfahren und Feuerhahn hier stehenlassen. Damit wäre doch alles verloren, und… Dann nimm ihn doch mit!
    «Los, dreh dich um!» rief Tomaschewski mit dünner Stimme. «Geh raus und steig in den grauen Volkswagen da draußen. Wenn du zu fliehen versuchst, dann knallt’s!»
    Feuerhahn gehorchte. Wie ein Schlafwandler trat er auf die sonnendurchglühte Straße hinaus. Sekunden später saßen sie beide im Wagen, und Tomaschewski gab Gas. Er fühlte sich ungeheuer erleichtert; eine nie gekannte Euphorie erfaßte ihn, er hätte singen und tanzen können.
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