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Zorn - Wo kein Licht

Zorn - Wo kein Licht

Titel: Zorn - Wo kein Licht
Autoren: Stephan Ludwig
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Fenster. Der Tag war dunstig, dichte Nebelschwaden trieben über den Parkplatz vor dem Präsidium.
    Schröder hat recht, dachte er. Wenn auf der Autobahn ein Unfall passiert, fahren die Menschen langsam, um ja nichts zu verpassen. Aussteigen würde kaum einer, weil alle davon ausgehen, dass jemand anderes hilft.
    Und ich? Ich bin genauso.
    »Wir müssen abwarten«, erklärte Schröder hinter ihm. »Vielleicht findet sich noch ein Zeuge, der ihn gesehen hat, die Befragungen sind noch längst nicht abgeschlossen. Und die Spurensicherung wird demnächst neue Ergebnisse haben, der endgültige Bericht der Pathologie fehlt auch noch. Grünbein könnte unter Drogen gestanden haben.«
    »Vielleicht war er einfach nur verrückt.«
    »Möglich, Chef. Aber ich glaube nicht daran.«
    Ich auch nicht, dachte Zorn. Es muss einen anderen Grund geben.
    Schröder griff die Aktentasche und nahm seinen abgewetzten Regenmantel vom Haken.
    »Ich fahre jetzt zur Bank und rede mit Grünbeins Kollegen.«
    »Lass dir keinen faulen Kredit andrehen.«
    »Keine Sorge, ich mache keine Schulden.«
    Schröder wandte sich zum Gehen. Da fiel Zorn noch etwas ein.
    »Was machst du eigentlich heute Abend?«
    »Wie meinen?«
    Schröder stand in der Tür, die Klinke in der Hand. Ein kleiner Mann in einem großen Regenmantel. Seine Verblüffung war echt.
    »Ich meine«, druckste Zorn auf der Suche nach den richtigen Worten herum, »was du heute so vorhast. Du könntest …«
    »Ja?«
    »… zum Essen kommen.«
    Schröder legte den Kopf ein wenig schief und sah ihn nachdenklich an. Er schien noch immer nicht verstanden zu haben, was hier gespielt wurde.
    »Oder so«, fügte Zorn ein wenig hilflos hinzu.
    »Zu dir?«
    Zorn nickte.
    Ein leises Lächeln huschte über Schröders Gesicht.
    »Du meinst das ernst, oder?«
    Wieder nickte Zorn.
    Schröder öffnete die Tür.
    »Das ist wirklich nett, Chef.«
    »Aber?«
    »Ich hab schon was vor.«
    »Na gut.«
    Immerhin, ich hab’s versucht, dachte Zorn und schämte sich ein wenig über seine Erleichterung. Er konnte beim besten Willen nicht erklären, woher dieses Gefühl kam, schließlich war Schröder neben Malina der wichtigste Mensch in seinem Leben. Aber was hatte Malina gestern gesagt? Du bist ein fauler Mensch, Claudius Zorn. Und noch etwas hatte sie verlangt: Er sollte nachhaken.
    Das tat Zorn dann auch.
    »Bist du sicher?«, fragte er.
    Schröder nickte, dabei ordnete er mit den Handflächen den spärlichen Scheitel.
    »Ja, Chef. Danke für die Einladung, ein anderes Mal gern.«
    »Ich komm drauf zurück.«
    Die Atmosphäre im Büro war plötzlich anders, es schien, als sei die Temperatur ein wenig gefallen. Zorn hoffte auf eine flapsige Bemerkung Schröders, etwas, das die Situation entspannen würde. Doch Schröder schwieg.
    Stattdessen nickte er kurz und ging.
    Später stand Zorn noch ein wenig am Fenster, starrte in den Nebel und dachte an Malina. Einen Vorwurf konnte sie ihm nicht machen.
    Er hatte nachgehakt.
    Zweimal sogar.
    *
    Wenig später saß Schröder im Auto und war unterwegs in Richtung westliche Neustadt. Er hatte lange überlegt, ob er sich einen Wagen zulegen sollte, schließlich war er fast zwanzig Jahre lang ausschließlich mit dem Fahrrad oder dem Bus unterwegs gewesen. Doch dann, zu seinem vierzigsten Geburtstag, hatte er beschlossen, sich etwas Besonderes zu gönnen: einen nagelneuen, quietschgelben VW Beetle. Das war vor drei Wochen gewesen, wie immer hatte ihm außer seinen Eltern niemand gratuliert (ein Geschenk hatte er natürlich auch bekommen, einen Satz Flanellbettwäsche von seiner Mutter).
    Schröder, der so gut wie keine Fahrpraxis hatte, fuhr vorsichtig. Hoch aufgerichtet saß er hinter dem Lenkrad, den Sitz hatte er bis ganz nach vorn schieben müssen, um die Pedale mit seinen kurzen Beinen erreichen zu können.
    Aber er hatte Spaß. Er mochte den Wagen, den Geruch nach Leder und Plastik, die Stereoanlage war hervorragend, und wenn die Fenster hochgekurbelt waren, klangen seine Klassik-CDs fast so gut wie daheim.
    Jetzt allerdings hörte er keine Musik. Es war neblig, die Sicht war schlecht, er musste sich auf den Verkehr konzentrieren. Schröder liebte technische Spielereien, aus einer Laune heraus hatte er das Navigationsgerät eingeschaltet und die Adresse der Sparkasse eingegeben.
    Er näherte sich der Hochstraße. Der Verkehr war dicht, die Autos drängten sich auf der dreispurigen Fahrbahn. Es war elf Uhr vormittags, trotzdem fuhren alle mit Licht. Rechts tauchten
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