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Zorn: Thriller (German Edition)

Zorn: Thriller (German Edition)

Titel: Zorn: Thriller (German Edition)
Autoren: Arne Dahl
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ursprüngliche Gewinner hieß Costin Florescu und war zu diesem Zeitpunkt vierzehn Jahre alt. In einem Gespräch mit unserem lokalen Repräsentanten erklärt Florescu, dass am Tag nach dem Wettbewerb ein fremder junger Mann in der Schule seiner Heimatstadt Constant¸a mit einem hellblauen Zettel in der Hand gesehen worden sei. Als er selbst einen Tag später aus Mangalia zurückkehrte, spielte sich Folgendes ab: »Als ich in die Schule kam, standen sie dort, eine ganze Delegation mit dem Rektor an der Spitze. Sie zeigten ohne ein Wort auf meinen Spind. Mit zitternden Händen holte ich die Schlüssel hervor und schloss ihn auf. Darin lag ein Zettel mit der Aufforderung, das kommunistische System zu stürzen. Ein hellblauer Zettel.«
Als die Familie kurz nach diesem Vorfall nach Paris umzieht, da Luigi Berner-Marenzi zum italienischen Kulturattaché in Frankreich ernannt wird, bedeutet dies für den jungen W und seine Schwestern, eine weitere Sprache erlernen zu müssen. Dies scheint dem Elfjährigen jedoch nicht schwerzufallen, wie ein anderer, französischer, Schulaufsatz belegt, den er an der International School of Paris im 16. Arrondissement geschrieben hat. Bereits mit vierzehn Jahren konnte W daher an die École Massillon wechseln, eine der katholischen Eliteschulen der Stadt.
Seine positive Entwicklung belegt außerdem ein Tagebucheintrag der Mutter: »W machte einen ziemlich fröhlichen Eindruck, als er heute nach Hause kam. Mein Kleiner ist wirklich groß geworden. Und er hatte diesen spitzbübischen Blick, der keiner Mutter entgeht. Während des außergewöhnlich guten Abendessens von Anaïs, bei dem mein Kleiner seine Foie gras wirklich zu genießen schien, blühte er dann regelrecht auf und erzählte: ›Ich kann jetzt richtig gut Französisch, Mutter.‹ Mir wurde ganz warm ums Herz. Ich frage mich, wie viel Wissen in diesem kleinen Körper stecken muss. Seine beiden Schwestern tun sich viel schwerer, eine siebte Sprache zu erlernen. Luigi sagt, das liege daran, dass W der Jüngste ist. Aber ich weiß, dass dies nicht die einzige Erklärung ist.«
An dieser Stelle muss berichtet werden, dass es in der Diplomatenwohnung im 16. Arrondissement eine Haushälterin namens Anaïs gab und dass sie die Hauptrolle in einer Episode spielt, mit der wir diesen einleitenden Bericht abschließen. Zwei Zeugenaussagen vermitteln in diesem Fall zwei unterschiedliche psychologische Profile von W. Die erste Darstellung entstammt wiederum dem Tagebuch der Mutter – die Familie lebt nun seit gut einem Jahr in Paris, und W steht kurz vor seinem dreizehnten Geburtstag:
»Heute waren wir gezwungen, Anaïs zu entlassen. Das war ein harter Schlag für uns. Dieses, wie wir bislang angenommen hatten, wunderbare Geschöpf aus der Provence hat über ein Jahr lang unsere Abendessen in Festessen verwandelt, von den Mahlzeiten am Wochenende ganz zu schweigen. Doch diese Woche hat sie meinen Kleinen derart verleumdet, dass ich keine andere Wahl hatte. Ich war gezwungen, rasch zu reagieren, da die falschen Klagelieder von Anaïs ansonsten möglicherweise bis an Luigis Ohren gedrungen wären. Sie musste auf der Stelle gehen, allerdings nicht ohne eine großzügig bemessene Abfindung.«
Der Pariser Polizei liegt im Gegenzug eine Zeugenaussage von Anaïs Criton vor, aus der hier ein Passus zitiert werden soll:
»Ich habe in der Tat ein Röhrchen mit der Aufschrift ›Protobiamid‹ in seinem Zimmer gefunden. Nein, leider ist es nicht mehr dort, obwohl ich es zurückgelegt habe. Seine Mutter durfte nicht erfahren, dass ich in den Schubladen des jungen W gewühlt habe. Doch beim zweiten Mal war es noch viel schlimmer. Ich weiß, dass er erst zwölf Jahre alt ist, Herr Kommissar, aber es handelt sich bei ihm nicht um einen gewöhnlichen Zwölfjährigen. Sie hätten nur seinen Blick sehen müssen. Ja, ja, ich weiß, dass der Blick eines Zwölfjährigen keinerlei Beweis darstellt, aber warum sollte er sonst dieses Protobiamid zu Hause haben? Das ist ein Stoff, der in Verbindung mit Eiweißstoffen stark reagiert, so viel habe ich begriffen, nachdem ich mit einem Freund gesprochen habe, der Chemiker ist, aber mehr weiß ich nicht. Außer, wie entsetzlich es juckte. Ich habe mich völlig zerkratzt. Ja, dort unten. Es ist mir unangenehm, das zu sagen, aber mein Unterleib war danach ganz blutig. Ja, ich weiß natürlich, dass Sperma hauptsächlich Eiweißstoffe enthält, aber dürfte ich Ihnen meine Theorie unterbreiten? Und es ist weitaus mehr als
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