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Zigeunerstern: Roman (German Edition)

Zigeunerstern: Roman (German Edition)

Titel: Zigeunerstern: Roman (German Edition)
Autoren: Robert Silverberg
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seinerzeitigen Machthaber des sog. Dritten Reiches (aber auch zahlreicher der Kollaborateure dieses Systems in Frankreich, Belgien, Polen, Russland usw.).
    Also sah man sich gezwungen, auf die uralten Begriffe zurückzugreifen, die über die Jahrhunderte hin noch stets ›Zwangsmaßnahmen‹ gegen die ›asozialen‹, ›kriminellen‹, ›volksfeindlichen Zigeuner‹ rechtfertigten. Und so wanderten viele Tausende ›Zigeuner‹ in die diversen staatserhaltenden Anstalten wie Konzentrationslager und Versuchsbaracken für ›humanmedizinische Labortests‹ à la Dr. Mengele und sind heute – sofern sie das überlebten – Schwerstgeschädigte Frauen und Männer, denen man das Recht auf Persönlichkeitsentfaltung, etwa des Rechts, Kinder zu haben, zwangsweise nahm. Einige Überlebende der sogen. ›Zwillingsforschung‹ (es sind nur sehr wenige ) sind heute seelische Wracks und körperlich behindert … Dies nur, um die bekanntesten Misshandlungen anzudeuten, die man ›ganz gesetzmäßig‹ gegen ein Volk verüben durfte … So gesetzmäßig, dass zahllose unter den Opfern und Hinterbliebenen der Opfer dieser Methodik bis heute nicht einmal auch nur eine ›hohnlächelnde Wiedergutmachung‹ erhalten.
    Anders als die Überlebenden des sogenannten ›jüdischen Vernichtungsfeldzugs‹ in unserem Jahrhundert (im Übrigen – Holokaust bedeutet ein geplantes ›Massenbrandopfer‹) hatten die ›Zigeuner‹ nach 1945 keine internationale Lobby. Und sie haben sie bis heute nicht. Nirgendwo. In keinem Land. Ich glaube kaum, dass ein ›Zigeuner‹ irgendeinem Überlebenden einer anderen verfolgten Gruppe die mürrisch geleistete ›Wiedergutmachung‹ neiden wird; aber ich könnte mir denken, dass viele Cinti und Roma es als Ungeheuerlichkeit empfinden mussten, wenn dieselben Personen, die im ›Rassenhygiene-Institut‹ der Nazis tätig waren und über die ›Beseitigung‹ ihrer Verwandten entschieden, dann nach 1945 bei den ›Entschädigungsämtern‹ der deutschen Bundesländer als ›Gutachter‹ und ›Zeugen‹ dienten.
    Mit der ›fachlichen‹ Unterstützung solcher Personen konnte beispielsweise das Höchste Gericht der Bundesrepublik Deutschland Wiedergutmachungsansprüche der Cinti und Roma im Jahre 1956 ablehnen – und zwar mit der Begründung:
    »Die Zigeuner neigen zur Kriminalität, besonders zu Diebstählen und Betrügereien. Es fehlen ihnen vielfach die sittlichen Antriebe zur Achtung vor fremdem Eigentum, weil ihnen wie primitiven Urmenschen (Kursivstellung vom Übers.) ein ungehemmter Okkupationstrieb eigen ist …«
     
    Ein derartiges Verdikt brachten deutsche Richter über die Lippen (von ihrem Gewissen wollen wir hier lieber nicht reden!), kaum sechzehn Jahre, nachdem der ›ungehemmte Okkupationstrieb‹ des (Teil-)Volkes, in dessen Namen sie urteilten, mehr als 55 Millionen Menschenleben gekostet hatte; von der ›fehlenden Achtung vor fremdem Eigentum‹ einmal ganz abgesehen.
    Der Bundesgerichtshof hat dieses Urteil 1963 so ›klammheimlich‹ revidiert, dass bis heute noch nicht einmal einschlägig tätige Juristen, geschweige denn Behörden es sich zu eigen gemacht haben. (Quelle: Leonard Oehle, Dokumentation zu einem Hearing ›Die vergessenen Opfer melden sich zu Wort‹, Hannover, 27. Okt. 1987) Viele ›Zigeuner‹ sind durch diese Art von kleinkarierten bürokratischen ›Mühlen‹ dermaßen angeekelt, weil sie die Prozedur als eine ›Fortsetzung der Verfolgung‹ empfinden, dass sie auf die Durchfechtung ihrer Wiedergutmachungsansprüche – durch die Bürokratie zermürbt – inzwischen lieber verzichten … Das ist ›nobel‹, trägt aber nichts zur Klärung bei, denn ›Besitzer‹ können eben nur in ›Materiellem Besitzanspruch‹ bzw. ›-verlust‹ denken. Zahlreiche Beamte wurden befördert, weil sie dem ›Gemeinwohl‹ Wiedergutmachungszahlungen durch papierene Verordnungstreue ersparten; der Gedanken, dass jemand wie ›ein schmutziger Zigeuner‹ es für unter seiner Menschenwürde halten könnte, sich mit Kreaturen wie diesen Beamten herumzustreifen, ist weder in dem Eigenwertgefühl von Beamten noch in ihrer Ausbildung jemals relevant geworden.
    Ich weiß, wovon ich spreche. Ich bin 1937 geboren, habe also › den Krieg‹ (als hätte es inzwischen nicht ständig irgendwo auf diesem geplagten Planeten Kriege gegeben!) nicht so aktiv-beteiligt erlebt. Seine Folgen allerdings sehr wohl. Ich bin sicher, dass in meinem Elternhaus (lässig deutsch, mit nationalen
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