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Zerrissen

Zerrissen

Titel: Zerrissen
Autoren: Elena Eckert
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informieren kann.
    „Wir möchten Ihnen helfen! Dazu müssen Sie uns aber bald möglichst eine Aussage liefern, sonst müssen wir den Mann gehen lassen.“
    Ich weiß, dass sie es nur gut meint. An ihrem Blick ist zu erkennen, dass sie sich unwohl fühlt, mir diese Predigt zu halten, aber ich schotte mich sofort völlig ab. Ich ziehe mich zurück und denke daran, wie er mich genüsslich gefesselt hat.
    Fesseln … ich notiere mir beiläufig Stichpunkte und höre die Verabschiedung nur weit entfernt, nehme sie kaum wahr und versinke in dem Versuch, meine Erinnerungen in eine chronologische Reihenfolge zu bekommen.
     
    Nachdem ich von ihm mit dem Auto entführt wurde, habe ich versucht mir den Weg zu merken. Damit ich fliehen kann. Seine Beschreibungen und Erzählungen haben meine Angst jede Sekunde weiter geschürt und am Ende war ich schon ein nervliches Wrack, bevor er mich in sein Haus zerrte, mich dort in eine Art Folterkammer brachte und als aller erstes ein Seil heraus kramte.
    Ich weiß nicht, warum ich mich nicht bewegt habe. Hatte er mir etwas verabreicht, das mich bewegungsunfähig machte? Ja, ich glaube das war es! Sonst hätte ich das nie über mich ergehen lassen. Niemals.
    „Die Kunst des Fesselns nennt sich Bondage.“
    Seine Stimme klingt in meinen Ohren nach, als stünde er direkt hinter mir, wie vor wenigen Tagen, und flüstert mir ins Ohr. Seinen warmen Atem fühle ich immer noch auf der Haut und während ich auf das Stück Papier weiter meine Gedanken notiere, zuckt meine rechte Schulter. Dort, wo der Atem auftrifft.
    Ich schrecke hoch. Sehe mich um. Aber da ist natürlich niemand. Hinter mir befindet sich nur noch eine Wand. Bin ich jetzt auch noch paranoid?
    Nachdem ich mir sicher bin, dass niemand mit mir im Zimmer ist, ziehe ich die warme Decke noch ein Stück höher und schreibe mir einfach Stichworte auf, nachdem ich es aufgegeben habe, eine Reihenfolge zu beachten. Im Moment ist noch alles so durcheinander, dass ich zwar Sequenzen vor den Augen sehe, aber nicht deren genauen Hergang beschreiben kann und auch nicht, wann sie in den letzten Tagen passiert sind.
    Ich weiß wie er mich gefesselt aufs Bett geworfen hat, lächelte und dann über mir lag. Ich konnte mich noch so sehr winden, aber ich lag wie ein Käfer auf dem Rücken und fühlte mich wie in Kafkas „Die Verwandlung“. Hilflos. Widerwärtig. Unverstanden.
    Ich kann es selbst nicht verstehen. Nicht, wie ich in diese Situation geraten konnte, aber auch nicht, wie ich wieder heraus finden sollte. Am Ende bin ich mir sicher gewesen, dass ich das nicht überleben werde.
    Einfach einschlafen.
    Einschlafen …
     
    Die Müdigkeit hat mich letzten Endes übermannt. Zu meiner Freude haben mich die Ärzte in dieser Zeit in Ruhe gelassen, mir die Zeit gegönnt, um wieder zu Kräften zu kommen. Die Zeit vergeht in ganz eigenartigen Rhythmen, ich kann gar nicht sagen, wie lange eine Minute für mich ist. Zwischendurch schwöre ich, dass schon wieder eine halbe Stunde vergangen ist und starre auf den Zeiger, der gerade einmal fünf Minutenstriche weitergerückt ist. In anderen Momenten fühlt sich die Zeit zäh wie Gummi an und eigentlich rast die Welt in einem Tempo voran, die mich aus der Bahn werfen sollte.
    In diesem wirren Zeitfenster kann ich auch nicht sagen, wann welche Person ein- und ausgeht. Der Arzt erkundigt sich nach meinem Befinden, zwischendurch kommt eine Schwester vorbei. Ich klingele nur ein einziges Mal, weil ich ungemeine Schmerzen im Unterleib habe und mir ein Schmerzmittel wünsche.
    Ich merke natürlich, wie sie alle zögern. Weil sie etwas wissen, dass sie mir nicht verraten wollen. Was ist es? Ich komme auf keinen grünen Zweig, aber den Mund aufmachen und nach einer Antwort verlangen, kann ich auch nicht. Ich klinge bei jedem einzelnen Wort kleinlaut und gebrochen – fühle ich mich tatsächlich so? Verdränge ich diese zerstörerischen Momente? Aber im gleichen Moment denke ich so intensiv darüber nach …
    Wie war das noch gleich? Ich lag in diesem Keller, das Gesicht auf den Steinboden gepresst in einer erniedrigenden Haltung – wie ein Hund musste ich da sitzen, allein gelassen. Die Möglichkeit auf ein vernünftiges Klo zu gehen gab er mir natürlich nicht. Ich hielt es so lange an, bis ich nicht mehr konnte. Ich hab mal davon gehört, dass die Blase platzen kann, wenn man es zu lange anhält. Weil sie dann überfüllt ist und der Druck zu groß wird. So weit wollte ich es dann doch nicht kommen lassen,
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