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Zentauren-Fahrt

Zentauren-Fahrt

Titel: Zentauren-Fahrt
Autoren: Piers Anthony
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Tatsächlich bestand das Regieren zum größten Teil aus Routine. Es gab einen Stab von Mitarbeitern im Palast, die durchaus ko m petent waren und die Dor schon immer gekannt hatte. Sie taten alles, was er ihnen auftrug, und beantworteten auch alle seine Fr a gen. Doch sie fällten keine wichtigen Entscheidungen – und Dor entdeckte, daß jede Entscheidung, so belanglos sie auch sein moc h te, für die Betreffenden stets von größter Wichtigkeit zu sein schien. Also überließ er die Routine weitgehend sich selbst und konzentrierte sich auf die Bereiche, die nach der Entscheidung des Königs verlangten, wobei er hoffte, daß seine riesige königliche Robe jedes Zittern seiner Knie verbergen würde.
    Der erste Fall betraf zwei Bauern, die Meinungsverschiedenhe i ten wegen einer Glühbirnenplantage hatten. Jeder von ihnen b e hauptete, ein Anrecht auf die hellsten Birnen der gegenwärtigen Ernte zu haben. Dor befragte ihre hölzernen Gürtelschnallen und erfuhr die ganze Geschichte, wie sie sich wirklich abgespielt hatte, während die beiden Bauern wie gebannt seine Magie bestaunten. Dor tat dies ganz bewußt, damit sie sehen konnten, daß er tatsäc h lich ein Magier war. Magie von solchem Kaliber respektierten sie durchaus, und so war es wahrscheinlicher, daß sie ihn nun auch stärker beachten würden.
    Bauer A hatte den Acker viele Jahre ohne allzu großen Erfolg bestellt; das Land gehörte ihm. Bauer B war angeheuert worden, um in dieser Saison zu helfen – und prompt war das Feld aufg e blüht und trug die beste und hellste Ernte seit Jahren, so daß Du n kelheit für den Acker ein Fremdwort geworden war. Wem stand nun die erste Wahl der Glühbirnen zu?
    Dor erkannte, daß er hier diplomatisch vorgehen mußte. Er hätte natürlich willkürlich irgendeine beliebige Entscheidung treffen können, doch dann wäre eine der beiden Parteien unzufrieden gewesen. Daraus könnte dann noch weiterer Ärger erwachsen. Er wollte aber nicht, daß König Trent in späteren Monaten noch mit den Folgen seiner Entscheidungen zu kämpfen hatte. »Bauer B hat offensichtlich geschickte Hände, mit deren Hilfe er seine Glühbi r nenernte zum Gedeihen bringen kann«, sagte er. »Deshalb sollte er sich auch die besten Exemplare aussuchen können, und zwar so viele, wie er haben will. Ohne ihn wäre die Ernte schließlich nicht viel wert.« Bauer B sah zufrieden aus. »Doch Bauer A gehört das Land. Er kann nächstes Jahr anheuern, wen er will, um mehr von seiner Ernte einbehalten zu können.« Bauer A nickte grimmig. »Natürlich wird Bauer A«, fuhr Dor freundlich fort, »dann keine besonders gute Ernte bekommen, und Bauer B wird keine Arbeit s stelle haben. Die Glühbirnen wachsen nirgendwo anders, werden aber auch nur so hell, wenn eine bestimmte Person sie behandelt, also werden beide Bauern nur dabei verlieren. Wirklich schade. Es wäre so einfach gewesen, die Birnen gleichmäßig zu verteilen, so daß jeder abwechselnd eine Birne aussucht, der Gewinn der g e meinsamen Arbeit gerecht verteilt wird und später noch bessere Ernten möglich werden…« Dor zuckte traurig mit den Schultern.
    Die beiden Bauern blickten einander ahnungsvoll an. War es nicht wirklich wichtiger, viele zukünftige Ernten miteinander zu teilen, anstatt nur an einer einzigen zu gewinnen? Vielleicht kon n ten sie sich doch noch einig werden.
    Eifrig diskutierend gingen sie fort. Dors Muskeln entspannten sich. Hatte er sich richtig verhalten? Er wußte, daß er nicht alle Menschen in jedem Fall glücklich machen konnte, aber er wollte diesem Ideal doch so nahe wie möglich kommen.
    Als er am nächsten Morgen im königlichen Bett erwachte, e r blickte er ein Gespenst, das vor ihm stand. Es war Doreen, die Küchenmagd. Im Schloß gab es ein halbes Dutzend Gespenster, jedes mit seiner oder ihrer eigenen traurigen Geschichte, doch die meisten von ihnen schwiegen sich über ihre Vergangenheit aus. Dor hatte Doreen immer gemocht, und zwar wegen der Ähnlic h keit ihrer Namen – Dor/   Doreen –, obwohl sie davon abgesehen kaum etwas gemein hatten. Vielleicht war er ja nach ihr benannt worden, denn sie war eine Freundin von Millie dem Gespenst, die während der ersten Jahre sein Kindermädchen gewesen war. Ni e mand hatte es für nötig gehalten, es ihm zu verraten, und das M o biliar am Ort wußte es auch nicht. Das Schloß war voll solcher kleiner Geheimnisse, sie waren Teil seiner Atmosphäre. Jedenfalls war Doreen in mittleren Jahren, recht stämmig und oft
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