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Zenjanischer Lotus (German Edition)

Zenjanischer Lotus (German Edition)

Titel: Zenjanischer Lotus (German Edition)
Autoren: Raik Thorstad
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Sothorn an sich zu
binden.
    Stolan stemmte sich mit der Schulter gegen die verzogene Tür. Die Angeln quietschten Unheil verkündend. Im Inneren des kargen Raumes brannte eine Vielzahl Fackeln, als wolle der
Bewohner die Dunkelheit des Berges aus seinem Heim vertreiben.
    Der Hausherr musterte den in einer Ecke kauernden Assassinen und zog fragend eine Augenbraue hoch: „Gab es Schwierigkeiten?“
    Stolan wusste bereits, dass es Schwierigkeiten gegeben hatte. Seine Kuriere hatten ihm Bericht erstattet, und sie waren schneller als ein Mann auf einem Pferd. Insofern bezog seine Frage sich
weniger auf die Ausführung seines Auftrags als auf den erbärmlichen Zustand, in dem der Assassine sich befand.
    Sothorn war etwas Besonderes.
    Er entstammte einem bäuerlichen Volk, das in den Sümpfen von Herjos beheimatet war. Seine Sippe war unzivilisiert und lebte in bescheidensten Verhältnissen. Doch die zahlreichen
Krankheiten, die in dem klammen Sumpfgebiet gediehen, hatten einen Menschenschlag erschaffen, der zäh und widerstandsfähig war.
    Die Moral der Sumpfbewohner galt einzig ihrem Überleben. Sie waren schnell, sehnig, geschickt an der Waffe, widerstandsfähig gegen die meisten Krankheiten und Legenden zufolge mit
normalen Waffen kaum zu töten. Letzteres war ein Ammenmärchen. Es wurde von den Sklavenhändlern geschürt, die in die Sümpfe zogen, um die Kinder des Volkes zu rauben und in
Auralis auf dem Markt feilzubieten.
    Der Handelsherr hatte über die Jahrzehnte viele Assassinen verschlissen. Die meisten waren nicht lange in der Lage gewesen, den Nebenwirkungen des Lotus standzuhalten. Sothorn dagegen
trotzte den Auswirkungen des Giftes seit über zehn Jahren, und er leistete hervorragende Arbeit. Noch.
    Kühl betrachtete Stolan die Schnittwunden und Abschürfungen, die sich über die nackte Brust und die Arme seines Untergebenen verteilten. Sie zogen den Blick auf dessen
ungleichmäßig getönte Haut.
    „Also?“, hakte er nach; wohl wissend, dass Sothorns Interesse einzig der Phiole in seiner Tasche galt.
    Er sah, wie der Assassine sich gierig über die Lippen leckte, bevor er mit rauer Stimme flehte: „Bitte ... gebt mir erst ...“
    „Nein“, entgegnete Stolan gelassen. „Erst der Bericht. Es ist nicht meine Schuld, dass du zu spät bist.“
    „Ich wurde überfallen“, begehrte der gefährlich schlanke Mann auf, dessen Leib nur aus Muskeln, Sehnen und Narben zu bestehen schien. „Sie haben mir mein Pferd unter
dem Hintern weggeschossen.“
    „Ich denke, du bist in der Lage, mit einer Horde Wegelagerer fertig zu werden.“
    „Bin ich.“ Sothorns Kopf ruckte hoch, seine blutunterlaufenen Augen flackerten. Stolan ekelte sich, als er bemerkte, dass in den Haaren seines Gegenübers getrocknetes Blut
klebte. „Aber ohne Pferd ... Ich musste zu Fuß reisen und ... zurückkehren.“
    „Das erklärt nicht, warum du die ganze Familie umgebracht hast“, fuhr Stolan scharf dazwischen.
    Er wusste, dass er ungerecht war. Denn die Zeitverzögerung erklärte durchaus, warum Sothorn nicht nur sein Ziel, sondern auch alle anderen Bewohner des Hauses getötet hatte.
Assassinen, die zu lange keinen Zenjanischen Lotus zu sich genommen hatten, wurden unberechenbar. Sie verloren an Geschick und setzten in ihrer Raserei auf grobe Maßnahmen.
    Sothorn umklammerte seinen Oberkörper und wiegte sich auf dem Wust aus Decken, die seine Lagerstatt bildeten. Seine Finger zuckten nervös, als denke er darüber nach, seinen Herrn
anzugreifen.
    „Es tut mir leid, dass ich Euch enttäuscht habe“, hörte Stolan ihn flüstern. „Ich werde es beim nächsten Mal besser machen.“ „Besser reicht
nicht“, entgegnete der alte Mann streng. „Du wirst meinen Auftrag wortgetreu ausführen. Einen Mann kann man töten, ohne dass sich allzu viele Fragen gestellt werden. Eine
Familie zu töten, schafft Aufmerksamkeit. Hast du mich verstanden?“
    Auf eine Antwort wartete Stolan nicht. Er wusste, dass der Assassine in diesem Zustand ausnahmslos alles sagen, tun und beschwören würde, um an sein Gift zu kommen. Sein Wort war in
diesem Zustand nicht viel wert.
    Er zögerte den Moment der Erlösung hinaus. Schließlich lächelte er gönnerhaft, bevor er in seinen Umhang griff und die Phiole hervorholte. Behutsam stellte er sie auf
den klapprigen Tisch in der Mitte des Raumes. Sofort war Sothorn auf den Füßen und strafte damit seinem äußeren Zustand Lügen.
    Faszinierend, dachte Stolan bei sich. Er ist erschöpft und
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