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Zenjanischer Lotus (German Edition)

Zenjanischer Lotus (German Edition)

Titel: Zenjanischer Lotus (German Edition)
Autoren: Raik Thorstad
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Gedanken, auf dem Meer zu sein; fern von der Küste.
    Der lange Schlaf, den der Alchemist ihm aufgezwungen hatte, musste daran schuld sein. Nie zuvor hatte Sothorn sich unwohl auf dem Wasser gefühlt.
    Um sich von dem bohrenden Nagen in seiner Brust abzulenken, schlenderte er über das Deck. Ein feiner Schleier aus Gischt legte sich auf sein Gesicht und seine Haare. Die Luft war salzig und
schien sich entzünden zu wollen.
    Ein Gewitter nahte. Im Laderaum stampften die Pferde mit den Hufen. Dazu gesellte sich das Winseln der Hunde, die es nicht gewohnt waren, per Schiff auf Reisen zu gehen.
    Nur wenige Mitglieder der Bruderschaft befanden sich an Deck. Die Segel waren eingeholt worden, um dem aufkommenden Sturm keine Angriffsfläche zu bieten.
    Cregh prüfte die Befestigungen des Beiboots und lächelte ihm schmallippig zu.
    Drei oder vier kleine Gestalten – unter ihnen Till - hatten im Schatten des Mastes eine Plane gespannt und versuchten sich am Schnitzhandwerk. In regelmäßigen
Abständen fielen helle Holzspäne auf die Planken. Sie waren stiller als Sothorn es gewohnt war.
    Die Kinder hatten zu viel erlebt. Zu viel gesehen. Vermissten mit Fanir einen Kameraden. Wie sie alle.
    Theasa stand am Steuerrad und beobachtete aus zusammengekniffenen Augen den Himmel.
    Ihr Hemd war bis auf die Haut durchnässt, ihre Leinenhosen klebten an ihren Hüften. Ihr eng anliegendes Kopftuch verrutschte, als sie Sothorns Schritte auf der Treppe hörte und
sich zu ihm umwandte.
    Schweigend nickte sie ihm zu, als er sich zu ihr gesellte.
    Aus den Augenwinkeln betrachtete er ihr verhärmtes Gesicht. Ihm war, als wäre sie seit ihrer letzten Begegnung um Jahre gealtert. Rechts und links der Nase hatten sich zwei tiefe
Furchen gebildet; wie mit dem Dolch in die Haut geschnitten. Geschwollene Lider zeugten von zu wenig Schlaf und zu großen Sorgen.
    „Wir kommen in einen Sturm“, sagte sie rauchig.
    Sothorn nickte: „Sind wir in schwierigen Gewässern?“ Mit eingeholten Segeln konnte die robuste
Henkersbraut
fast jeder Witterung trotzen, aber die Gefahr, auf ein Riff
oder an die felsige Westküste Sundas getrieben zu werden, bestand dennoch.
    Mit abschätziger Miene schüttelte Theasa den Kopf: „Nein. Ich habe uns weit aufs Meer gebracht.“
    Es lag eine gewisse Müdigkeit in ihren Worten. Nicht verwunderlich, wenn man bedachte, dass die Verantwortung für die Bruderschaft in diesen Tagen allein auf ihren schmalen Schultern
lastete.
    Von Janis war nichts zu sehen.
    „Wohin segeln wir?“, fragte Sothorn leise.
    „Dorthin, wo es Arbeit gibt. Einen Ort, an dem wir unterschlüpfen können. Vielleicht versuchen wir unser Glück auf Zenja. Vielleicht auf Namur oder irgendwo auf dem
Festland. Ich weiß es nicht“, gestand Theasa. Ihre Hand am Steuerrad verkrampfte sich. „Wir müssen zusehen, dass wir an Geld kommen. Das eine Fass Lotus, das im Lagerraum
steht, wird uns bald ausgehen.“
    Sothorn lief ein kalter Schauer über den Rücken bis hinab zu seinem Gesäß. Er fand es widernatürlich, dass er nicht eher daran gedacht hatte.
    Mit ihrer Heimat hatten sie die große Lieferung Lotus verloren, für die sie in den Süden gereist waren. Den Lotus und ihre Barschaft.
    Unruhig beäugte er den Wellengang, der um das Schiff bewegliche Täler und Gebirge bildete. Seine Nervosität nahm zu und wand sich in seinem Inneren wie ein Aal.
    „Können wir nicht heimkehren?“, wollte er wissen. „Der Elementar wird fort sein, er hat seinen Auftrag erfüllt. Stolan ist tot und kann uns nicht mehr
schaden.“
    „Das mag sein, aber niemand weiß, ob er anderen verraten hat, wo wir zu finden sind. Darüber hinaus ...“, Theasas Stimme wurde zunehmend brüchig, „... ist
nichts übrig, zu dem wir zurückkehren könnten. Die Gänge sind eingestürzt. Der Stein ist spröde geworden. Niemand weiß, ob er halten wird oder eines Nachts
über unseren Köpfen in sich zusammenbricht. In der Eingangshalle klafft ein Krater, dessen Grund nicht abzusehen ist. Er scheint bis in den Kern der Welt zu reichen ...“
    Nie zuvor hatte er sie so verzagt sprechen hören. Erschüttert.
    Sothorn war plötzlich dankbar, dass er die zerstörte Festung nicht gesehen hatte. Was er in ihr erlebt hatte, reichte, um ihm für den Rest seines Lebens Albträume zu
bescheren.
    Er war versucht, Theasa zu umarmen. Sie kam ihm so klein vor.
    Bevor er sich dazu durchringen konnte, straffte sie die Schultern und sah ihn von der Seite an: „Du solltest dich
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