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Zelot

Zelot

Titel: Zelot
Autoren: Reza Aslan
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Jahrhundert der Unabhängigkeit nicht gerade begeistert. Die Königsdynastie der Hasmonäer war beseitigt, doch Pompeius ließ Hyrkanus die Funktion des Hohepriesters. Das passte den Anhängern des Aristobul überhaupt nicht. Sie zettelten mehrere Revolten an, auf die die Römer mit auffälliger Brutalität reagierten – sie brannten mehrere Orte nieder, töteten Rebellen, versklavten die Einwohnerschaft ganzer Städte. Unterdessen wuchs die Kluft zwischen den hungernden und verschuldeten Armen, die auf dem Lande schufteten, und der reichen Oberschicht in Jerusalem weiter. Die römische Politik war immer auch darauf ausgerichtet, Allianzen mit der Aristokratie eingenommener Gebiete zu schmieden, sodass deren Macht und Reichtum vom Wohlwollen der römischen Oberherrschaft abhing. Indem Rom seine Interessen mit denen der herrschenden Klasse verband, sorgte das Imperium dafür, dass die lokalen Anführer interessiert daran waren, das imperiale System aufrechtzuerhalten. In Jerusalem war der «Adel» natürlich mehr oder weniger mit der Priesterschicht gleichzusetzen, vor allem mit jener Handvoll reicher Priesterfamilien, die für den Tempelkult verantwortlich waren und infolgedessen auch von Rom beauftragt wurden, die Steuern und Tribute einzutreiben und die Ordnung unter der unruhigen Bevölkerung aufrechtzuerhalten – Aufgaben, für die sie reich belohnt wurden.
    Weil der Übergang zwischen der religiösen und der politischen Macht in Jerusalem fließend war, musste Rom den jüdischen Kult und vor allem den Hohepriester streng überwachen. Als Leiter des Sanhedrin und «Anführer der Nation» war der Hohepriester eine Gestalt mit religiösem wie auch politischem Einfluss, mit der Macht, Entscheidungen in allen religiösen Angelegenheiten zu treffen, Gottes Gesetz durchzusetzen und sogar Verhaftungen vorzunehmen, wenn auch nur in der Umgebung des Tempels. Wenn die Römer die Juden kontrollieren wollten, mussten sie den Tempel kontrollieren. Und wenn sie den Tempel kontrollieren wollten, mussten sie den Hohepriester kontrollieren, weshalb Rom selbst, kurz nachdem es die Herrschaft über Judäa erlangt hatte, die Verantwortung für die (direkte oder indirekte) Ernennung und Absetzung des Hohepriesters übernahm und ihn damit im Wesentlichen zu einem römischen Handlanger machte. Rom behielt sogar die heiligen Gewänder des Hohepriesters in Gewahrsam, gab sie nur zu den religiösen Feiern und Festtagen heraus und beschlagnahmte sie sofort nach Abschluss der Zeremonien wieder.
    Dennoch erging es den Juden besser als manchen anderen römischen Untertanen.
    Vor allem duldeten die Römer den jüdischen Kult weiterhin und ließen zu, dass die Rituale und Opfer ohne Einmischungen stattfanden. Die Juden waren sogar von der Pflicht zum Kaiserkult befreit, die Rom praktisch allen anderen religiösen Gemeinschaften in seinem Herrschaftsgebiet auferlegt hatte. Rom verlangte von Jerusalem nichts weiter als zweimal täglich die Opferung eines Bullen und zweier Lämmer für den Kaiser und seine Gesundheit. Man ließ die Juden, ihren Gott und ihren Tempel in Ruhe, solange sie die Opfer darbrachten, Steuern und Tribute zahlten und sich an die Gesetze in der Provinz hielten.
    Die Römer konnten übrigens ziemlich gut mit den religiösen Überzeugungen und Praktiken unterworfener Völker umgehen. In den meisten eroberten Ländern blieben die Tempel unangetastet. Rivalisierende Götter wurden nicht besiegt oder vernichtet, sondern oft in den römischen Kult eingegliedert (so wurde zum Beispiel der kanaanitische Gott Baal mit dem römischen Gott Saturn verbunden). In manchen Fällen nahmen die Römer mit einer sogenannten
evocatio
einen Tempel des Feindes in Besitz – und damit auch dessen Gott, denn beide waren in der antiken Welt untrennbar miteinander verbunden – und übertrugen ihn nach Rom, wo er mit Geld und üppigen Opfern überschüttet wurde. Solche Riten sollten das klare Signal senden, dass die Feindseligkeiten sich nicht gegen den Gott des Feindes richteten, sondern gegen die Kämpfenden; der Gott würde in Rom weiter geehrt und angebetet, wenn nur seine Anhänger ihre Waffen niederlegten und sich in das Reich eingliedern ließen.
    So tolerant die Römer im Allgemeinen schon gegenüber fremden Kulten gewesen sein mögen – noch nachsichtiger begegneten sie den Juden und ihrer Treue zu dem Einen Gott, von Cicero als «barbarischer Aberglaube» des jüdischen Monotheismus verunglimpft. Die Römer verstanden den
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