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Zelot

Zelot

Titel: Zelot
Autoren: Reza Aslan
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zwischen Pompeius Magnus und seinem früheren Verbündeten Julius Cäsar verstrickt wurde und die Reste der Hasmonäer-Dynastie um die Gunst beider Männer buhlten, verschlechterte sich die Situation der jüdischen Bauern, die Gottes Land bestellten, immer weiter. Die kleinen Familienbauernhöfe, die jahrhundertelang die Basis der ländlichen Wirtschaft gebildet hatten, wurden allmählich von großen Gütern geschluckt, die der mit frisch geprägten römischen Münzen reichlich bedachte Landadel verwaltete. Die schnelle Urbanisierung unter römischer Herrschaft förderte eine massive Binnenwanderung vom Land in die Städte. Die Landwirtschaft, die früher die arme Dorfbevölkerung ernährt hatte, konzentrierte sich jetzt fast nur noch darauf, die gewaltig gewachsenen urbanen Zentren zu versorgen. Die Bauern blieben hungrig und mittellos zurück. Sie waren nicht nur verpflichtet, weiterhin ihre Steuern und Zehnten an die Tempelpriesterschaft zu zahlen, sondern mussten jetzt auch noch einen hohen Tribut an Rom leisten. Beides zusammen konnte fast die Hälfte des Jahresertrags ausmachen.
    Zudem lagen weite Flächen nach mehreren Dürreperioden brach, während zugleich ein großer Teil der jüdischen Kleinbauern in die Sklaverei gezwungen wurde. Wer es schaffte, sich auf dem eigenen mageren Acker zu halten, musste sich oft zu exorbitanten Zinssätzen beim Landadel verschulden. Dabei spielte es keine Rolle, dass das jüdische Gesetz das Zinsnehmen verbot; die schweren Strafen, die die Armen für eine verspätete Rückzahlung zu entrichten hatten, kamen im Grunde auf das Gleiche heraus. Jedenfalls rechnete der Landadel fest damit, dass die Kleinbauern ihre Schulden nicht bezahlten, und wenn die Schulden nicht prompt und vollständig beglichen wurden, konnte man das Bauernland beschlagnahmen, und der Bauer musste auf dem Hof als Pächter für den neuen Besitzer schuften.
    Innerhalb weniger Jahre nach der römischen Eroberung Jerusalems hatten viele landlose Bauern ihren Besitz verloren und konnten nicht mehr für sich und ihre Familien sorgen. Die meisten wanderten auf der Suche nach Arbeit in die Städte ab. In Galiläa jedoch tauschte eine Handvoll enteigneter Bauern und Landbesitzer ihre Pflüge gegen Schwerter und begann sich gegen jene zu wehren, die ihrer Ansicht nach für ihr Elend verantwortlich waren. Von ihren Verstecken in den Höhlen und Grotten Galiläas aus starteten diese Bauernkrieger eine Angriffswelle gegen die jüdische Aristokratie und die Repräsentanten des Römischen Reiches. Sie durchstreiften die Provinzen, sammelten Notleidende um sich, von ihrem Land Vertriebene, die in Schulden versanken. Wie jüdische Robin Hoods raubten sie die Reichen aus und gaben gelegentlich den Armen. Für die Gläubigen waren diese Bauernbanden nichts weniger als die Verkörperung des Zorns und des Leidens der Armen. Sie waren Helden: Symbole eines gerechten Eifers gegen die römische Aggression, Werkzeuge der göttlichen Gerechtigkeit gegen die Verräter unter den Juden. Die Römer hatten ein anderes Wort für sie. Sie nannten sie
lestai
 – Banditen oder Straßenräuber.
    «Bandit» war der Oberbegriff für alle Rebellen und Aufständischen, die mit Waffengewalt gegen Rom oder die jüdischen Kollaborateure vorgingen. Für die Römer war das Wort «Bandit» gleichbedeutend mit «Dieb» oder «Aufrührer». Aber diese Leute waren keine gewöhnlichen Verbrecher. Die Banditen waren die ersten Anzeichen einer sich entwickelnden nationalistischen Widerstandsbewegung gegen die römische Besatzungsmacht. Es war in gewisser Hinsicht ein Bauernaufstand; die Banden stammten aus verarmten Dörfern wie Emmaus, Bet-Horon und Betlehem. Aber es ging auch um mehr. Die Banditen sahen sich als Werkzeuge der Vergeltung Gottes. Sie kleideten ihre Anführer in die Embleme biblischer Könige und Helden und präsentierten ihre Taten als ein Vorspiel für die Wiederkunft des Gottesreiches auf Erden. Die Banditen machten sich die weit verbreitete apokalyptische Erwartung zunutze, die die Juden Palästinas nach der römischen Eroberung erfasst hatte. Einer der Furchtbarsten von ihnen, der charismatische Bandenführer Hiskia, erklärte sich offen zum Messias, dem Verheißenen, der die Juden wieder zum Ruhm führen werde.
    Messias
bedeutet «Gesalbter». Der Name spielt auf die Praxis an, Menschen, die mit einem göttlichen Amt betraut sind, mit Öl zu übergießen oder zu bestreichen: einen König wie Saul, David oder Salomo; einen Priester wie
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