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Zeitlos

Zeitlos

Titel: Zeitlos
Autoren: Edward Finnings
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Emoto-Buch brachte, das sie Markus ausgeliehen hatte, da hörte auch Henning interessiert zu. Er kannte die Bücher. Auch das Reisexperiment war ihm nicht fremd. »Wir können das bei unseren Proben ausprobieren. Du bringst dann zwei Gläser mit Reis mit und wir besingen eine Probe während des Einsingens. Ich mache einen kurzen Text dazu, dann können wir einen Kanon über den Reis anstimmen«
    »Einmal die Woche dürfte zuwenig sein«, gab Kerstin zu bedenken.
    »Wieso, ich habe doch auch noch die Kantorei und den Kinderchor zum Üben hier, das wären schon drei Mal. Das wird allen Spaß machen und wir werden sehen, ob es funktioniert«
    Birte war gespannt. Wenn wirklich eine Wirkung  zu beobachten war, dann würde sie das Experiment später auch mit den Kindern im Kindergarten ausprobieren.
     
     
     

10.06.2010; Donnerstag; 06:20 Uhr/MEZ; Kiel-Hindenburgufer
     
     
    Nele Hesse sah auf ihren Sportchronometer: Puls 115, Uhrzeit 06:20 - alles im Grünen Bereich . Wie jeden Morgen um diese Zeit, lief sie jetzt am Hindenburgufer entlang, jenem Streckenstück entlang der Kieler Förde, an dem sie das Lauftempo auf zweihundertfünfzig Meter pro Minute steigerte. Sie genoss ihr Körpergefühl, das sich dabei einstellte: Mit fast geschlossenen Augen konzentrierte sie sich darauf. Sie scannte förmlich die Arbeitsstationen ihres wunderbaren Körpers; hörte zuerst auf ihren kräftigen Herzschlag in den Ohren, fühlte die wie Blasebälge arbeitenden Lungenflügel, konzentrierte sich dann auf das Gefühl in ihren Fußsohlen beim Abrollen, während der monotone, fast robotische Takt ihrer leichtfüßigen, weiten Schritte mit der Präzision einer Hochleistungsmaschine den Asphalt unter ihren Füßen streichelte.
    Das Hochgefühl in das sie hineinlief, machte sie glücklich und stolz, es verlieh ihr jenen Nimbus an Ausstrahlung, den manche als Arroganz werteten, sie selber jedoch als naturgegebene Autorität einordnete. Sie war süchtig danach. Um genau 06.40 würde sie ihren täglichen Zehn-Kilometer-Lauf bewältigt haben und sich dann unter die kalte Dusche stellen.
    Vor einem Jahr stellte sie aus Vereinfachungsgründen ihr Laufheft um, statt wie bis dahin jeden Tag ihre Trainingskilometer einzutragen, ging sie dazu über, nur noch ihre Ausfalltage einzuschreiben. Früher war sie zwei, drei Marathons im Jahr gelaufen. Das wollte sie nicht mehr, nachdem sie erkannte, wie hoch ihr Suchtpotenzial anstieg – immer schneller, immer weiter, bei ständig abnehmender Pulsfrequenz. Von da ab beschloss sie jeden Tag zehn Kilometer zu laufen; in der konstanten Zeit von vierzig Minuten.
    In den vergangenen zwölf Monaten vermerkte sie in ihrem Laufheft nur zwei Ausfalltermine, davon war der eine einer unerfreulichen Magen-Darm-Geschichte, der andere ihrem amourösen Abenteuer mit Yvonne geschuldet. Yvonne war’s wert gewesen, hatte sie sich bei der Kleinen doch zu deren ersten Liebhaberin gemacht, sie erweckt . Solche, selbst für Nele, außergewöhnlichen Wonnen verdienten es, Ausnahmen im Tagesablauf zuzulassen. Sie war eine Jägerin, eine, die es nie lange mit nur einer Partnerin aushielt, und am liebsten waren ihr Affären, bei denen sie die Erweckerin war.
    Sie sah es den Frauen an, die bis dahin noch nicht herausgefunden hatten, was ihnen wirklich gut tat. Männer, pah, die waren doch eigentlich nur zu Einem zu gebrauchen – nämlich zum Abgewöhnen. Nele war stolz darauf, dass sie es noch keinem gestattet hatte sie zu besteigen. Seit den Tagen, als sie ihrem gewalttätigen Vater endlich entronnen war, hatte sie es sich geschworen, niemals einen Mann an sich heranzulassen – und warum auch? Mit Frauen war es doch viel besser!
    Heute würde ein guter Tag werden, sie fühlte es und freute sich schon auf ihre Arbeit, denn heute würden sie ein neues Projekt beginnen. Professor Stettner, für den sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin arbeitete, hatte es in den letzten Wochen verheißungsvoll angedeutet. 
     
    Ihr Arbeitsplatz an der CAU, welches für Christian-Albrechts-Universität zu Kiel stand, lag nach Osten, was bedeutete, dass an schönen Tagen morgens ein sonnenüberflutetes Labor auf sie wartete. Aus den Fenstern konnte man die Kieler Förde und noch weiter im Hintergrund, die an schwebende Schiffe erinnernden Großkrane, der auf dem Ostufer der Förde gelegenen Kieler Howaldts Werft erkennen.
    In wenigen Wochen würde der Campus ruhig und verlassen sein, denn das Sommersemester neigte sich seinen Ende zu, und die
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