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Zeitlabyrinth

Zeitlabyrinth

Titel: Zeitlabyrinth
Autoren: Keith Laumer
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Landschaft; jetzt, da sie darauf achtete, hatte das Straßenstück etwas Fremdes an sich. Da – die hohe Eiche mit dem 666-Schild – die wäre ihr doch aufgefallen …
    Sie ging hastig weiter, in der Hoffnung, hinter der leichten Wegbiegung die bunte Coca-Cola-Reklame zu erblicken. Statt dessen sah sie, halb vom Laub verborgen, ein weißgekalktes Haus. Der Backsteinkamin kam ihr merkwürdig vertraut vor. Sie ging an den hohen Pappeln vorbei, die in Reih und Glied dastanden – und hielt an. Entrüstet starrte sie ihr eigenes Haus an. Sie hatte sich nach Osten gewandt, als sie es verließ – und nun kam sie von Westen. Es war absurd, ein Ding der Unmöglichkeit!
    Mrs. Withers rückte den Hut entschlossen zurecht. Also schön: sie hatte vor sich hingeträumt und war einer falschen Kurve gefolgt, die sie im Kreis zurück an ihre eigene Tür gebracht hatte (nicht, daß ihr je eine Abzweigung zwischen dem Haus und der Ortschaft aufgefallen wäre). Es war ein unsinniges Versehen, und dafür hatte L. B. Withers’ Witwe kein Verständnis. Unsinnigkeiten überging man. Sie krampfte beide Hände um die Griffe ihrer Tasche, als seien es Zügel, und marschierte am Gartentor vorbei.
    Mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend näherte sie sich fünf Minuten später einem Wegweiser am Straßenrand.
     
    BRANTVILLE – 1 MEILE
     
    Einen Moment lang starrte sie die Buchstaben an; dann wirbelte sie herum und marschierte die Strecke zurück, die sie gerade gekommen war. Am Gartentor angelangt, umklammerte sie schweratmend den Pfosten und versuchte sich zu sammeln. Der Anblick der vertrauten Veranda mit dem zerbrochenen Gitter beruhigte sie ein wenig. Mr. Withers hatte es immer richten wollen und war irgendwie nie dazu gekommen. Sie holte noch einmal tief Luft und zwang sich dann dazu, normal zu atmen. Sie hätte sich zum Gespött der Leute gemacht, wenn sie ins Haus gelaufen wäre und den Sheriff angerufen hätte, um ihm eine hysterische Geschichte von verwechselten Straßen zu erzählen. Puh! Einen schönen Klatsch hätte das in der Stadt gegeben! Die Hälfte dieser alten Lüstlinge grinsten sie jetzt schon immer widerlich an, wenn sie ihre hinterhältigen Bemerkungen über alleinstehende Frauen machten. Nun gut, sie hatte sich verwirren lassen und zweimal den falschen Weg genommen, selbst wenn sie nirgends eine Stelle entdeckt hatte, an der man fehlgehen konnte. Diesmal würde sie auf jeden Schritt achten, und wehe, jemand machte eine Bemerkung, wenn sie eine halbe Stunde später als gewöhnlich im Postamt erschien!
    Als diesmal der Wegweiser vor ihr auftauchte, blieb sie mitten auf der Straße stehen und sah in beide Richtungen. Sie wurde hin und her gerissen zwischen dem Wunsch weiterzulaufen, bis sie den Stadtrand erspähte, und dem gleich starken Verlangen, zurück in die Vertrautheit des Hauses zu fliehen.
    »Das kann nicht sein«, sagte sie laut und war schockiert über das undisziplinierte Zittern ihrer Stimme. »Ich bin diesen Weg tausendmal gegangen. Man kann sich nicht verirren …«
    Das Wort »verirren« mit seinem Beigeschmack von Untüchtigkeit weckte von neuem eine Welle gesunder Verachtung. Verirren, also wirklich! Eine nüchterne, gottesfürchtige, anständige Frau verirrte sich nicht am hellen Tage wie ein betrunkener Landstreicher! Und wenn sie verwirrt war, dann nur, weil man die Straße verändert hatte! Natürlich, das mußte die Erklärung sein: in der Nacht waren die Leute vom Straßenbauamt mit ihren Maschinen gekommen und hatten, ohne auch nur einen Ton zu sagen, eine neue Verbindung angelegt. Man wußte doch, wie fix das heutzutage ging. Die Idee! Und das neue Schild paßte ebenfalls dazu. Mit grimmig vorgeschobenem Kinn drehte sich Mrs. Withers um und ging festen Schritts auf ihr Haus zu. Diesmal würde sie den Sheriff anrufen und dem selbstgefälligen alten Esel gehörig die Meinung sagen.
    Immer wieder erwischte sie das Besetzt-Zeichen. Nachdem Odelia Withers es fünfmal versucht hatte, ging sie in die Küche, immer noch mit dem Ausdruck tiefster Mißbilligung. Sie öffnete den Kühlschrank und begann mechanisch das Essen herzurichten. Zum Glück hatte sie Vorräte im Haus; der Gang in den Ort war nicht unbedingt nötig gewesen. In der festen Absicht, nicht mehr an den verhinderten Stadtgang zu denken, machte sie sich mit dem letzten Schinken ein Sandwich und goß Milch in ein Glas. Dann setzte sie sich in die Sonne, die durch die gerüschten Vorhänge drang, aß und horchte auf das Ticken der
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