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Zeit Des Zorns

Zeit Des Zorns

Titel: Zeit Des Zorns
Autoren: Jutta Ditfurth
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Kreisen in New Orleans vertriebenen Menschen verstreut überall in den USA, isoliert von ihren Freunden und von alten sozialen Strukturen. Die meisten sind heute arbeitslos. New Orleans aber ist durch die große Vertreibung eines Teils der eigenen Bevölkerung »weißer und wohlhabender geworden« 17 , ganz ohne Weltwirtschaftskrise …
    * * *
    Manchmal schimmert in den Verlautbarungen der Profiteure der kapitalistischen Verhältnisse eine Ahnung davon durch, was passieren könnte, würde sich eine große Menge Menschen das Verbrechen namens Kapitalismus nicht mehr gefallen lassen. Viele wohlabgewogene Worte in den Abendnachrichten haben mit den realen Vorgängen oft wenig oder nichts zu tun. Sie sollen aber die Maßnahmen gegen die Weltwirtschaftskrise, die ausschließlich zum Ziel haben, das Kapital zu retten und die Grundfesten des kapitalistischen Staats zu betonieren, als vernünftig, einleuchtend und alternativlos erscheinen lassen.
    Manche Wissenschaftler, Politiker und Journalisten ahnen, wie marode der Firnis und wie dünn die Schale der bis zum Übermaß gepriesenen »zivilisierten« Gesellschaft ist. Das Interesse von Inge Kloepfer in ihrem Buch Aufstand der Unterschicht. Was auf uns zukommt 18 ist es, das Besitzbürgertum vor denen da unten zu schützen.Ihr Kapitel über bettelnde Kinder und kleine Straßendiebe nennt sie »Bedrohung«. Nicht glückliche, selbstbestimmte, angstfreie Kinder sind ihr Anliegen, sondern die Vermeidung der Gefahr, die diese Kinder für »uns« darstellen: »Ein Aufstand der Unterschicht – heute erscheint er noch wenig wahrscheinlich, auch wenn es bereits viele Anzeichen dafür gibt, dass sich die Menschen zu wehren beginnen.« Mit utilitaristischem Blick auf die Kinder fordert sie, dass »zu unser aller Nutzen« etwas aus ihnen werden solle. So oder so: »Es reicht schon ein gesunder Egoismus, um zu erkennen, dass sich Deutschland seine Unterschicht nicht leisten kann.« 19 Aber ist es nicht vielmehr so, dass sich Lohnabhängige und Unterschicht die Oberschicht, seit es sie gibt, nicht leisten können?
    * * *
    Die Erfahrung der Menschen, dass vormals positive Begriffe wie zum Beispiel »Reform«, »Selbstbestimmung« und »Gerechtigkeit« längst in Orwellscher Manier in ihr Gegenteil verkehrt wurden, steigert die Verachtung vieler Menschen für »die Politik« ins Unermessliche. Aus »Reform« wurde Hartz IV, aus »Selbstbestimmung« der vermeintlich selbstbestimmte Tod der Überflüssigen in einer neuen Euthanasiediskussionswelle. »Gerechtigkeit« ist heute zum Schleuderpreis zu haben: Von »Generationengerechtigkeit« schwadroniert die Bild -Zeitung, wenn sie – etwa in der Rentenfrage – »die Jungen« zum Kampf gegen »die Alten« aufhetzt.
    Neidisch blickten deutsche Konzerne, vor der Weltwirtschaftskrise, auf China, das mit »ein bisschen Diktatur« immense Wachstumsraten einfuhr, während sich das Kapital in Deutschland noch mit den restlichen Errungenschaften einer befriedeten Arbeiterbewegung herumzuschlagen hatte. Ein kleines bisschen mehr Diktatur, verpackt als bürgerliche Demokratie, das hätten einige west- und osteuropäische Staaten doch gern.
    Die realen sozialen Verhältnisse und die Erfahrung, von den »eigenen Leuten« (darunter den Parteien und Gewerkschaften) betrogen worden zu sein, haben die soziale Frage auch in Deutschland mit Wucht zurück auf die Tagesordnung katapultiert. Millionen Menschen sehen sich vermeintlichen Urgewalten des Kapitalismusausgeliefert, fühlen sich machtlos, ja ohnmächtig und nicht Herr ihres Schicksals. Wer wird der Adressat ihrer Wut? Sozial Schwächere, wie es der deutsche Untertan so schätzt, weil er sich feige nicht gegen die Obrigkeit zu erheben wagt, außer er ist betrunken und randaliert ein wenig bei der Arbeitsagentur oder dem Jobcenter? Was tut der Mensch, fortlaufend enteignet, durch Krisen, Gesetze und Verordnungen gebeutelt, für die er nicht verantwortlich ist, ohne soziale Netzwerke – früher hieß das Beziehungen –, die in herrschende Kreise reichen?
    Ist eine bundesdeutsche Gesellschaft denkbar, die trotz großer Armut und Perspektivlosigkeit einerseits und immensen Reichtums und Korruption andererseits unerschüttert bleibt? Wird es diesmal die historische Rolle der Linkspartei sein, der Wut ein Ventil zu bieten? Als neue reformistische Illusion, die dämpft, was anderenfalls vielleicht zur Revolte und zu wirklich grundlegenden gesellschaftlichen Veränderungen drängt?
    Und wenn diese Kalkulation
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