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Zeit Des Zorns

Zeit Des Zorns

Titel: Zeit Des Zorns
Autoren: Jutta Ditfurth
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Salonmarxisten oder Reformisten – gegen besseres Wissen –, sich und andere zu täuschen, weil sie Angst davor haben, den vermeintlich festen Boden unter den Füßen zu verlieren. Aber Kapitalismus gibt es nie ohne Klassenkampf. Solange die Unterdrückten sich nicht wehren, bleibt es ein Klassenkampf von oben – den können wir zurzeit en détail beobachten.
    Der Kern des Kapitalismus ist Profit und Maximierung des Profits. Er besteht auf der maximalen Verwertung und Vernutzung des Menschen. Nichts, was wir am Kapitalismus beklagen, ist zu bändigender »Missbrauch« oder zu korrigierende »Randerscheinung«. Die weltweiten Unterschiede in der Verfasstheit kapitalistischer Staaten begründen sich mit ihrem Platz in der imperialistischen Weltordnung – liegen sie im Zentrum oder an der Peripherie? – und mit dem Grad der Klassenkämpfe. In der Sprache der sozialen Bewegungen: dem Grad und der Qualität der Gegenwehr.
    Der Kapitalismus ist nicht reformierbar, aber er ist enorm wandlungsfähig, selten zum Vorteil der Menschen. Manchmal aber fallen dabei humane Nützlichkeiten ab. Die nennt man Fortschritt. Sollte unser Maßstab aber nicht, statt des Vergleichs mit ›früher‹ – früher war die Kindersterblichkeit größer, früher gab es keine Krankenversicherung –, nicht sein, was an Freiheit, Glück, Entfaltungsmöglichkeiten, Gesundheit, Selbstbestimmung für den Menschen unter heutigen Verhältnissen , auf dem heutigen Stand der technologischen Entwicklung, möglich wäre? Dann sieht die Sache schon ganz anders aus.
    * * *
    So viele verlorene Kämpfe. Und nach jeder großen Auseinandersetzung pumpt sich die Bestie vor uns auf und hat sich das Brauchbare, das Verwertbare aus unseren Kämpfen einverleibt. Hat der Kapitalismus sich modernisiert. Wie kein anderes Herrschaftssystem zuvor ist er in der Lage, ältere Herrschafts- und Unterdrückungsformen aufzusaugen und in neue umzuwandeln – den Rassismus zum Beispiel oder die patriarchale Herrschaft. Beide sind Unterdrückungsformen, die es schon lange vor dem Kapitalismus gab. Aber heute gibt es einen Kapitalismus ohne Rassismus so wenig wie einen nichtpatriarchalen Kapitalismus; und genausowenig gibt es einen nichtkapitalistischen Rassismus und ein vom Kapitalismus losgelöstes Patriarchat.
    Unaufhörlich lutscht dieser Kapitalismus neue Subkulturen aus, durchfilzt soziale Bewegungen nach neuen Ideen, sucht nach neuer Kunst und Musik, Mode, Lebensformen, Erfindungen, die sich zur Ware formen und kommerzialisieren lassen. Ihren antihierarchischen, subversiven Gehalt spuckt er als Abfall aus. Gegenkultur, Opposition, sogar vermeintliche Subversion können gebrochen und – sofern die Widerstand Leistenden sich nicht stark genug wehren – in innovatorischen Treibstoff für den Kapitalismus umgemünzt werden, so dass sich die zerstörerische Maschine mit neuem Schwung weiterdreht. Das gehört zu den »Begabungen« des Kapitalismus, welche viele Linke unterschätzt haben. Aus einem emanzipatorischen, die Herrschaftsfrage stellenden Feminismus wurde so z.B. ein gender mainstream -Programm, das einigen Frauen des Bürgertums beim Erklimmen leitender Positionen hilft, bei gleichzeitiger Stabilisierung der herrschenden, immer noch patriarchalen Verhältnisse.
    Vor allem frühere, heute ermattete Linke schnattern von einer durch die außerparlamentarische Revolte von 1968 »zivilisierten« Gesellschaft und davon, wie schön es sei, dass auch die Konservativen das Klimaproblem erkannt haben. Erkannt? Seine ökologische und soziale Dimension begriffen? Keineswegs. Das Meer wird bald das Urlaubssehnsuchtsziel Malediven überspülen. Den meisten Touristen sind, wenn sie dort zwischen Korallenatollen schnorcheln, die Menschen, die unter der Diktatur litten, gleichgültig. Der Untergang wird mit Neugier begafft werden, Hollywoodwird vielleicht zwei bis drei Katastrophenfilme fabrizieren, das war’s. Und welche bürgerliche Partei hat die ökologische als Teil der – tabuisierten – sozialen Frage begriffen? Keine. Die Weltwirtschaftskrise wird als Alibi dafür herhalten müssen, dass Konzerne und Banken die Erde weiter zerstören.
    Viele Leute hier haben am Kapitalismus nichts Grundsätzliches auszusetzen, weil sie von seiner Zerstörungswut profitieren. So reden sie also nur von »Ausartungen«, von der »Gier« von Managern, vom »Raubtierkapitalismus« und ähnlichem Unsinn. Niemals geben sie zu, dass es der ganz gewöhnliche Kapitalismus ist, der uns jetzt seine
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