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Zeit Des Zorns

Zeit Des Zorns

Titel: Zeit Des Zorns
Autoren: Jutta Ditfurth
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leben kann, ist dem Kapital vollkommen gleichgültig. »Die kapitalistische Produktion«, schreibt Karl Marx 1867 im ersten Band des Kapitals , »entwickelt daher nur die Technik und Kombination des gesellschaftlichen Produktionsprozesses, indem sie zugleich die Springquellen des Reichtums untergräbt: die Erde und den Arbeiter.« 7
    Das Kapital plündert und zerstört durch ihre Nutzung diese beiden einzigen Reichtumsquellen, immer auf der Jagd nach mehr Profit. Das ist sein Wesen, es ist der kapitalistischen Produktion immanent. Das Gerede, dass alles Schlechte nur an »gierigen« Bankiers und Managern läge, ist nur Gequatsche. An ihrer Gier wollen wir dabei gar nicht zweifeln. Aber die Struktur der kapitalistischen Produktionsweise zwingt sie zu dieser Jagd. Wenn man die Masken austauscht, ändert sich nichts, auch dann nicht, wenn die Masken weibliche werden. Wer Mensch und Natur nicht maximal ausplündert, verliert in der kapitalistischen Konkurrenz.
    Nur Klassenkämpfe, nicht moralische Vorwürfe, halten den Kapitalismus auf oder mildern seine Zerstörungswut. Ihm stößt keine Krise zu, er ist die Krise unseres Lebens. Und irgendwo ist er immer, darüber hinaus, in einer Krise. Das ist seine normale Verfassung: Menschen leiden und sterben durch ihn. Für Millionen, wenn nicht Milliarden von Menschen ist der hundsordinäre Kapitalismus ohne jede offizielle Krise nichts als die Katastrophe ihres gesamten Lebens: Wie Sklaven bewirtschaften sie Großgrundbesitz, erschaffen den gesellschaftlichen Reichtum in irgendwelchen Werkshallen der Welt, nähen die nächste Frühjahrsmode in Osteuropa, China oder Vietnam. Die meisten seiner Opfer sind weit weg von den kapitalistischen Zentren wie derBundesrepublik, so dass die meisten Menschen hier sie leicht ignorieren können.
    Die Ausbeutung der Arbeitskraft in der kapitalistischen Produktion hat ungeheuren Schaden am physischen und psychischen Zustand des Menschen angerichtet. Die Auswirkungen seiner Vernutzung und der seiner natürlichen Umwelt fahren dem Menschen unter die Haut. Invalidität, Nerven- und Herzkrankheiten, Stress, Infektionen, Krebs, psychische und Suchtkrankheiten – eine endlose Liste von vermeidbarem Leid, das sein Leben unglücklicher macht und es schließlich vorzeitig beendet.
    Der Fortschritt in der Medizin schuf neue Quellen des Profits für medizintechnische und pharmazeutische Konzerne. In der Qualität der Gesundheitsversorgung aller Menschen spiegeln sich diese Errungenschaften kaum wider. Nur ein winziger Teil der Menschheit hat Zugang zum höchsten Stand des medizinischen Fortschritts. Dabei ist dieser Fortschritt auch noch janusköpfig. Eine Abteilung der Naturwissenschaft, die Gentechnologie, ist etwa darauf ausgerichtet, auch den Menschen als Naturressource zu entdecken und auszubeuten. Das biologische Potenzial des Menschen wird gleichsam zu einer dritten Springquelle des Reichtums. Verwertet werden unsere Gene, unsere Zellen, Stoffwechselfunktionen unseres Körpers, unsere Organe und sogar unsere Reproduktionsfähigkeit. 8
    Allen wirklichen Fortschritt für die Mehrheit der Menschen gibt es nur als Resultat von sozialen Kämpfen. Nie ist eine grundsätzliche soziale Reform – die diesen Namen wirklich verdient gehabt hätte – im Parlament oder in der Regierung eines kapitalistischen Staates geboren worden. Immer waren ihre Voraussetzung außerparlamentarische Kämpfe. Manchmal, wenn diese Kämpfe stark genug waren, konnte politischer Druck entfacht werden, der auch Parlamentsparteien und Regierungen in Zugzwang brachte, so dass diese Institutionen die – meist verwässerten Versionen der ursprünglichen – Forderungen in Gesetze und Verordnungen gossen.
    Diese waren aber nie von Dauer. Denn wenn die soziale Gegenmacht nachließ und die »Reformen« dem Kapital nichts nutzten, wurden sie wieder abgeschafft. Die Bildungsreform der 1970er Jahre zum Beispiel, Resultat der sozialen Auseinandersetzungender 1960er Jahre, ist heute Makulatur. Arbeiterkinder, Kinder von Hartz-IV-Empfängern oder aus der unteren Mittelschicht finden kaum Zugang zu bestmöglicher Bildung. Und die Talare kehrten zurück an sogenannte Eliteuniversitäten.
    * * *
    Es gibt »Linke«, die sich einbilden möchten, dass der Kapitalismus auf so sanfte Weise zu einer humanen Gesellschaft »umzubauen« ist, dass das Kapital es nicht merkt und nicht zurückschlägt. Das ist im besten Fall ein Irrtum. Oft ist aber nicht Naivität das Motiv, sondern die Absicht von
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