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Zeit der Wut

Zeit der Wut

Titel: Zeit der Wut
Autoren: Giancarlo de Cataldo
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zurückkommen würden. Der englische Anwalt, der sein Vermögen verwaltete und ihm eine Rendite überwies, die er Mal für Mal an den Absender zurückschickte. Die hundert-, vielleicht zweihunderttausend Euro Bargeld im Safe.
    – Warum schenkst du sie nicht den Genossen?
    – Es ist schmutziges Geld.
    Er hatte ihr alles offenbart. Und schließlich hatte sie ihm geglaubt.
    – Und du hast dem Ganzen einen Arschtritt gegeben?
    – Genau.
    – Man sieht, dass du nie arm warst.
    Sie hatten sich noch einmal geliebt, diesmal entspannter und konzentrierter, ohne Eile, freudig und spielerisch.
    – Ich kann dir nicht trauen. Die Sache mit Mamoud ist gestorben.
    – Warum? Du hast mich geködert.
    – Ich habe mich getäuscht, Guido. Zieh dich an und verschwinde aus meinem Leben. Es ist besser so, glaub mir.
    – Ich rühre mich nicht von der Stelle.
    – Wie du willst. Ich bin müde.
    Im Morgengrauen war Didier hereingekommen, ohne zu klopfen, um sich vor der Abreise zu verabschieden. Guido hatte gesagt, er solle abhauen. In seinem französischen Akzent hatte ihn Didier aufgefordert, sich zu melden: „Wenn du mal in Paris bist. Ich wohne in Belleville. Frag nach mir, alle misch kennen.“ Dann hatte er ihm eine Kusshand zugeworfen und war leise kichernd gegangen. Rossana hatte sich nicht bewegt. Er beobachtete sie noch immer im Schlaf. Unruhig, verstört. Sie war keine Provokateurin. Und sie war auch nicht verrückt. Sie war nur Rossana. Sie hatte ihn einer Art Prüfung unterzogen, und er hatte nicht bestanden. Aber er würde nicht klein beigeben. Er wollte bei ihr bleiben.

5.
    Die Schafe verschwanden in einer Staubwolke. An die Stelle ihres beruhigenden Blökens trat das Knattern der Maschinengewehre. Sie begriff, dass sie drauf und dran war, wieder dem Albtraum anheim zu fallen, und wehrte sich mit allen Kräften dagegen. Aber es war zu spät. Es gibt kein Mittel gegen die Erinnerung. Von ganz hinten drang Licht herein. Mit verzweifeltem Blick schaute das Mädchen in Richtung Höhleneingang. Die Schatten begannen zu tanzen. Haubitzen sangen. Mauern bröckelten ab. Jemand lachte. Ein anderer stimmte ein Kriegslied an. Ein starker Arm schüttelte das Mädchen. Eine vertraute Stimme rief ihren Namen, ihren anderen Namen … Rossana … Rossana
    – Rossana! Wach auf! Was …
    Sie schnellte empor, betäubt und noch immer im Bann des Traumbilds. Die Augen des italienischen Jungen waren voller Staunen und Mitleid.
    – Rossana … sprich mit mir … was ist los? Es ist nur ein schlechter Traum …
    Ein schlechter Traum. So bezeichnete dieser junge Trottel ihr Leben. Gut, immerhin hatte sie es versucht. Aber wie man sich bettet, so liegt man. Das galt für jeden. Und Zufälle gab es keine auf dieser Welt.
    – Willst du wirklich alles wissen?
    – Ja.
    – Gut. Mamoud wird heute Nacht nach Pratica di Mare verlegt. Um keine Risiken einzugehen, werden sie ein Auto ohne Nummernschilder benutzen. Wir werden dort sein. Wir unterstützen eine palästinensische Zelle. Sie sind seit zwei Tagen in Rom, bereit zum Einsatz. Möglicherweise gibt es eine Schießerei, aber wir sollen sie nur decken. Für die Waffen sorge ich.
    – Woher weißt du das?
    – Wir haben eine Quelle. Einen Diplomaten. Er hat eine Schwäche für Minderjährige, wir haben ihn in der Hand. Jetzt weißt du, wie es um mich steht. Und du kannst keinen Rückzieher mehr machen. Ich muss jetzt gehen. Du schließt dich ein und sprichst mit niemandem. Mit niemandem, hast du verstanden? Ich rufe dich an, wenn es so weit ist.

6.
    Mostacciano. Hier beginnt die Via Pontina. Eintönige Wohnhäuser, Kleinbürgertum und Mittelstand. Seichter Schlaf, armselige Träume. Um diese Uhrzeit bereits wie ausgestorben.
    Als Guido zur Tankstelle gelangte, tauchte Rossana aus dem Nichts auf und setzte sich hinter ihn auf den Sitz.
    – Geradeaus, und am Ende der Straße biegst du rechts ein.
    Die Straße, in die sie rechts einbogen, führte durch Brachland und war nicht beleuchtet. Guido machte das Fernlicht an. Man sah nichts und niemanden. Er drehte sich zu Rossana um.
    – Wohin fahren wir?
    – Von hier aus geht es auf die Pontina. Sie warten an der Kreuzung auf uns.
    Die Straße war schnurgerade und stockdunkel. Guido sah die Scheinwerfer eines Autos. Dann noch ein Licht, ein blinkendes Blaulicht … Er bremste abrupt.
    – Schau …
    Aus dem Auto mit dem Blaulicht tauchte ein Arm auf, der eine Kelle schwenkte.
    – Scheiße, was machen wir jetzt?
    Rossana blieb keine Zeit zu
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