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Zeit der Sinnlichkeit

Zeit der Sinnlichkeit

Titel: Zeit der Sinnlichkeit
Autoren: Rose Tremain
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Keller gefunden hatte, war ausreichend, um für die absehbare Zukunft meine Versorgung mit gutem Bordeaux, hochhackigen Schuhen, seidenen Gehröcken, Brüsseler Spitzen und guten Perücken sicherzustellen. Kurz gesagt, ein erstaunlich gutes Geschick war mir zuteil geworden. (»Du bist dessen gar nicht würdig, Merivel«, meinte Pearce dazu, der sich weiter durchschlug, indem er versuchte, die Armen von St. Barts und – ein gräßliches Unterfangen – die Irren der Londoner Heilanstalt zu kurieren.)
    Ich feierte das, indem ich Mrs. Pierpoint besuchte, mich mit ihr in der Leg Tavern betrank und sie dann in den Hampstead Fields in einen schlammigen Graben stieß. Danach hatte sie die Stirn, mich zu fragen, ob ich, der ich nun im Dienste des Königs stand, für den ungehobelten Mr. Pierpoint, der nur ein einfacher Kahnfahrer war, eine Stelle bei Hof besorgen könne. Mir wurde also sofort eine Lektion erteilt, die ich mir merken wollte, und zwar, daß Macht und Erfolg eine lange, lautstark fordernde Schlange schleimiger Leute und Bittsteller im Gefolge hatten, die mit ihrem Geschrei durch meine privaten Vergnügungen und Träume spuken würden, von denen man aber sehr oft mannigfaltige und hübsche Dinge als Bestechung bekam.
    Ein höchst einträgliches und vergnügliches Jahr verging. Ich begriff schnell, daß sich mein Wesen in jeder Hinsicht gut für das Leben am Hofe eignete. Meine Vorliebe für Klatsch und Lachen, mein überschäumender Appetit, meine Neigung zu stilvollem Chaos und mein Trick, nach Lust und Laune zu furzen, machten mich zu einem der beliebtesten Männer von
Whitehall. Selten wurde beim Cribbage oder Rommé ohne mich angefangen, selten wurden Musikabende oder soirées dansantes veranstaltet, zu denen ich nicht eingeladen war. Die Frauen fanden mich amüsant, und eine beglückende Anzahl erlaubte mir, nicht nur ihre Lachmuskeln zu kitzeln, sondern auch ihre reizenden und unwiderstehlichen Vergnügungszentren, so daß ich selten allein schlief. Und der König war mir – was wohl der glücklichste Umstand von allen war – von Anfang an sehr gewogen, was nicht nur darauf zurückzuführen war, wie er mir erzählte, daß ich Lou-Lou geheilt hatte, sondern auch darauf, daß ich die Fähigkeit hatte, ihn zu amüsieren. Ich war wohl so etwas wie sein Hofnarr. Wenn ich ihn soweit gebracht hatte, daß er sich vor Lachen die Seiten hielt, winkte er mich zu sich heran, faßte mit seiner eleganten Hand nach meiner eingedrückten Nase und zog mich an sich, um mir einen freundschaftlichen Kuß auf den Mund zu geben.
    Nach einiger Zeit bemerkte ich, daß er meine Gesellschaft bewußt suchte, und das fand ich höchst erstaunlich. Er zeigte mir all seine Gärten und seinen Tennisplatz und begann, mir das Tennisspielen beizubringen, bei dem ich mich als geschickter und wendiger erwies, als ich es erwartet hatte. Er beschenkte mich: eine hübsche französische Uhr aus der Sammlung, die ich an jenem kritischen ersten Tag gesehen hatte, eine Garnitur riesiger gestreifter Servietten, die so groß waren, daß sie beim Essen meine ganze Person bedeckten und mir das lächerliche Aussehen eines Mannes in einem Zelt verliehen – was an der Speisetafel für Belustigung sorgte –, einen Hund für mich selbst, eine süße Spanielhündin, die ich nach seiner von ihm sehr bewunderten Schwester Minette nennen mußte.
    Ich konnte also wirklich nicht sagen, daß ich nicht glücklich war. Meine unvollständigen Medizinkenntnisse reichten für das Wohlergehen der Hunde aus, nicht zuletzt, weil es Hunde waren, die mit Milch und Rindfleisch gefüttert wurden und in warmen Räumen schliefen. Und was den Lebensgenuß, Zeitvertreib und Frauen, anging, so hatte ich alles, was sich ein Mann nur wünschen konnte. Ich wurde dick und ein wenig träge, aber so waren viele am Hof; nicht alle besaßen König Charles' große Energie und Neugier. Als Pearce mich besuchte, erbleichte und erstarrte er angesichts all des profanen Luxus. »Dieses Zeitalter leidet an einer beklagenswerten moralischen Blindheit«, sagte er mit steinerner Miene.
    Und dann …
    An einem Morgen im April ließ der König mich holen.
    »Merivel«, sagte er. »Ich möchte, daß Ihr heiratet.«
    »Ich soll heiraten, Sir?«
    »Ja.«
    »Ich hatte nicht vor zu heiraten, Majestät, es ist mir nie in den Sinn gekommen …«
    »Ich weiß. Ich verlange nicht, daß Ihr es wollt. Ich möchte, daß Ihr es tut, mir zuliebe.«
    »Aber –«
    »Habe ich Euch nicht schon oft einen
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