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Zeit der Hingabe

Zeit der Hingabe

Titel: Zeit der Hingabe
Autoren: Anne Stuart
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Wänden, die dieses düstere Haus so überaus behaglich machten, eine Pistole gesucht. Doch offenbar hatte das Adelsgeschlecht der de Malheurs ihre blutrünstigen Kriege mit der Erfindung der Feuerwaffen eingestellt. Kein Wunder! Dieses Lumpenpack verstand sich besser darauf, Menschen heimtückisch ein Messer in den Rücken zu stoßen.
    Sie blickte auf den See hinaus. Das alte Ruderboot am Ufer war nicht mehr seetüchtig, nur die Bank, auf der sie sich niederließ, war noch einigermaßen solide. Sie warf die Narzissen zu Boden, trat achtlos darauf herum und griff nach dem Ruder, das schwer und fest in ihrer Hand lag, kletterte wieder aus dem Boot, hielt das Ruder mit beiden Händen vor sich und betrat den morschen Steg. Die Sonne hatte die glitschigen Planken getrocknet, und sie wich der morschen Stelle aus, die ihr beinahe zum Verhängnis geworden wäre. Damals hatte er sie gerettet, und sie wünschte beinahe, er hätte es nicht getan.
    Auf halbem Weg zum Ende des Stegs hörte sie seine Rufe und stellte sich taub. Sollte er sich getrost seine schwarze Seele aus dem Leib schreien, dieser ehrlose, nichtswürdige Dreckskerl! Was war sie nur für eine blinde Närrin, ihn geliebt zu haben, nach allem, was er ihr angetan und ihr angedroht hatte! Und sie hatte ihm alles verziehen.
    Nie wieder! Sie packte das Ruder mit beiden Fäusten, blieb stehen und wartete.
    Die morschen Planken federten auf und ab, als er sich ihr im Laufschritt näherte. Als sie ihn nahe genug wähnte, drehte sie sich um, ohne ihren kalten Hass zu verbergen.
    Den er dummerweise nicht bemerkte in seiner Schimpftirade, wie sie so unvernünftig sein könne, ihr Leben aufs Spiel zu setzen, sich ein zweites Mal auf den gefährlichen Steg zu wagen, der ihr schon einmal beinahe zum Verhängnis geworden war. Sie stand reglos, sah eiskalt zu, wie er der Bruchstelle auswich. Er hatte seinen Stock nicht mitgebracht. Gut so! Ohne Stock würde er das Gleichgewicht leichter verlieren.
    Sie wartete, bis er nahe genug war. Nicht nahe genug, um nach ihr zu greifen, aber nahe genug für das Ruder. „Bleib, wo du bist, mein Schatz“, flötete sie seidenweich.
    Endlich schien er etwas zu begreifen. Ruckartig hob er den Kopf. „Was machst du hier draußen?“, fragte er atemlos.
    „Ich warte auf dich. Das Wasser ist eiskalt, nicht wahr?“
    Er betrachtete sie scharf. „Ja.“
    „Und sehr tief?“
    „Ja.“ Sie sah deutlich, wie er sich anspannte. „Du bist St. John begegnet.“
    „Nein. Ich habe an der Tür gelauscht.“
    „Neugier ist der Katze Tod“, sagte er leichthin.
    „Nicht in diesem Fall. Sie ist dein Tod.“
    Und sie holte mit aller Kraft aus und schlug zu.
    Es gab einen dumpfen Schlag, das Ruder zerbrach splitternd, und Lucien stürzte der Länge nach ins eisige Wasser des Sees und versank wie ein Stein in den dunklen Tiefen.
    Es dauerte drei Sekunden, bevor sie gellend um Hilfe schrie, das zerbrochene Ruder von sich warf und ins Wasser sprang.
    Die Wellen schlugen über ihr zusammen, die eisige Kälte betäubte sie fast, doch ihre Finger berührten unter Wasser seinen Körper, krallten sich an ihm fest, wild entschlossen, mit ihm in den Tiefen des Sees zu versinken.
    Lucien aber stieß sich kraftvoll nach oben, tauchte auf und zog sie am Arm an die Wasseroberfläche. „Zur Hölle, Weib! Bist du übergeschnappt?“, prustete er keuchend. „Seit wann sind wir Romeo und Julia?“
    „Du widerlicher Lügner!“, kreischte sie, wild um sich schlagend. „Du dreckiger, hundsgemeiner, verkommener Mistkerl! Du stinkendes Stück Dreck! Ich hasse dich ich hasse dich ich hasse dich!“ Ihr unkontrolliertes Gezappel zog beide wieder in die Tiefe, sie schluckte Wasser, und ihre Verwünschungen endeten in einem hilflosen Gurgeln.
    Trotz einer blutenden Kopfwunde überwältigte Lucien sie mühelos, presste ihr die Arme fest an die Seiten und schwamm mit ihr ans Ufer, während sie wütend mit den Füßen strampelte. Als das Wasser flach genug war, ließ er sie los, watete ans Ufer und brach erschöpft auf dem groben Kies zusammen.
    Miranda folgte ihm stolpernd, durch die nassen schweren Röcke behindert, die an ihren Beinen klebten, stand keuchend über ihm und hielt Ausschau nach einer Waffe, entdeckte das zweite Ruder im Schilf und wollte sich darauf stürzen. Lucien bekam sie am Fuß zu fassen und riss sie zu Boden. Einen Moment später lag er auf ihr und hielt sie gefangen. Sie wehrte sich erbittert mit Händen und Füßen, schlug blindwütig mit Fäusten auf
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