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Zeit der Geheimnisse

Zeit der Geheimnisse

Titel: Zeit der Geheimnisse
Autoren: Sally Nicholls
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London!«, sage ich.
    Dad nimmt meine beiden Hände, aber er kommt gar nicht dazu, etwas zu sagen, denn im selben Moment geht oben die Schlafzimmertür auf und Grandma erscheint. Sie zieht einen Koffer hinter sich her. Grandpa folgt ihr, mit Hut und Mantel und einer großen grünen Reisetasche.
    »Mum!«, sagt Dad.
    Grandma strahlt ihn an. »Toby!«, sagt sie. »Endlich! Ich habe mich schon gefragt, ob du überhaupt noch mal auftauchst.«
    Dad lässt meine Hände los. »Mum«, sagt er. »Was ist hier los?«
    »Wir fahren nach London«, sagt sie. »Es wird höchste Zeit, dass wir mal Ferien machen.«
    Dad sieht verwirrt aus. »Aber – «, sagt er. »Ihr hättet mich doch fragen können – «
    »Hätten wir, stimmt«, sagt Grandma. »Jedenfalls fahren wir jetzt. Donnerstag sind wir zurück.« Und damit kommt sie die Treppe herunter. Den Koffer schleift sie hinter sich her – rumpeldipumpel – wie Christopher Robin Pu den Bären.
    Dad steht bloß da und starrt sie groß an.
    »Aber – «, sagt er, und ich muss fast kichern, so verdutzt sieht er aus. »Nehmt ihr die Mädchen mit?«
    Grandma bleibt stehen. »Also wirklich, Toby«, sagt sie. »Ich dachte, ich hätte dich zu einem Menschen mit mehr Verstand erzogen. Natürlich nehmen wir sie nicht mit. Arthur geht mit mir ins Victoria & Albert Museum … und nach Knightsbridge … und vielleicht Kew Gardens. Seit Jahren war ich nicht mehr in den Botanischen Gärten.«
    »Aber …«, sagt Dad.
    »Den Laden musst du nicht aufmachen«, sagt Grandma. »Aber wenn du ihn zulässt, dann häng bitte ein Schild ins Fenster, dass wir ab Freitag wieder geöffnet haben, ja? Die Mädchen müssen um neun in der Schule sein. Morgen haben sie Sport, aber das werden sie dir sicher alles noch haarklein erklären. So, Mädchen, sagt uns Auf Wiedersehen!«
    Sie umarmt erst Hannah und dann mich.
    »Viel Spaß«, flüstert sie mir zu und lässt mich los, bevor ich sie noch bitten kann zu bleiben.
    Als Grandpa mich umarmt, klammere ich mich an ihn. »Und ihr kommt ganz bestimmt zurück?«
    Grandpa drückt mich fest an sich. »Natürlich«, flüstert er mir zu. »Grandma will einfach, dass euer Vater ein bisschen Zeit mit euch verbringt. Das ist alles.«
    Ich denke daran, wie es beim letzten Mal gelaufen ist, und lasse meine Arme um Grandpas Hals.
    »Donnerstag kommt ihr zurück?«
    »Donnerstag«, sagt Grandpa. »Versprochen.«
    Als wir im Haus sind, bin ich mir sicher, dass es genauso werden wird wie an jenem schrecklichen Wochenende in Newcastle, nur dass dieses Mal Grandpa nicht kommen kann, um uns zu retten. Dad weiß nicht, was er machen soll. Er steht im Flur und verzieht sein komisches schiefes Gesicht zu einer hilflosen Miene.
    »Habt ihr eine Ahnung, was das Ganze soll?«, fragt er schließlich.
    »Ist doch vollkommen egal«, sagt Hannah. »Will jemand ’ne Tasse Tee?«
    Sie brüht Tee in der Kanne auf, so wie Grandpa es immer macht. Ich setze mich so dicht neben Dad, wie es nur geht. Wenn ich ihn nur lieb genug habe, frage ich mich, ob ich ihn dann überreden kann zu bleiben?
    »Bleibst du hier?«
    »Muss ich ja wohl, oder?«, sagt er. »Ein Glück nur, dass ich noch so viel Resturlaub habe.« Er tätschelt mir die Hand. Dann dreht er sich um. Wahrscheinlich gefällt es ihm, mal wieder in einer sauberen Küche zu sein. »Großartig, dein Tee, Hannah«, sagt er.

     
     
     

56 - Zurück
    Am nächsten Morgen weckt mich Dad. Er hat eins von Grandpas karierten Hemden und Grandmas Ladenschürze an.
    »Auf auf!«, ruft er und haut mit einem Löffel an einen Kochtopf.
    Ich reibe mir die Augen.
    »Es ist halb sieben«, stöhnt Hannah in ihrem Zimmer. »Wir müssen überhaupt noch nicht aufstehen.«
    »Nein?«, fragt Dad. Er klingt überrascht. Zu Hause mussten wir natürlich immer früh aufstehen, weil wir quer durch die Stadt zur Schule gefahren wurden. Hier gehen wir einfach nur zu Fuß den Hügel hinunter.
    Dad hat schon den Frühstückstisch gedeckt. Er hat mir wieder eins seiner Geschenke mitgebracht: Choco Krispies. Als ich noch bei Mum und Dad wohnte, mochte ich zum Frühstück nur Choco Krispies, aber jetzt mag ich auch Frosties und Weetabix und Eier, wie Grandpa sie macht.
    »Molly isst die Dinger nicht mehr«, sagt Hannah. »Und ich will so was auch nicht. Ich esse Toast, wie Grandma.«
    Anders als Grandpa wäscht Dad das Frühstücksgeschirr nicht ab. Er stellt es einfach zusammen mit unseren Teebechern vom Abend ins Spülbecken. Ordnung und Sauberkeit sind ihm
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