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Zehntausend Augen

Zehntausend Augen

Titel: Zehntausend Augen
Autoren: Klaus Seibel
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Außerdem war er schon nach allen Regeln der Kunst untersucht worden. Aber was war eigentlich damit geschehen?
    Als Ellen den Rechner anschaltete, waren alle Standardprogramme da, aber keine Dokumente, keine Bilder, nichts Individuelles. Sie startete den Internetbrowser. Statt des üblichen Eröffnungsbildschirms zeigte der Monitor nur drei Worte:
    Hallo, La Tigresa.
    Ellen rieb sich die Augen und sah nochmals hin. Die Worte standen tatsächlich da.
    Ellen fuhr mit der Maus über die Schrift. Es war ein Link. Ellen klickte. Eine Frage erschien:
    Sind Sie zufrieden?
    Darunter die Worte »Ja« und »Nein« jeweils zum Anklicken.
    Ellen ging in die Küche. Die Rotweinflasche war leer. Mist. Wieder zurück beim Laptop wartete der immer noch auf eine Eingabe. Sie könnte den Rechner einfach ausschalten und die Internetverbindung trennen. Vielleicht war der Spuk dann vorbei. Oder sie konnte Burgsmüller anrufen. Aber wollte sie das wirklich? Zu viele offene Fragen bohrten in ihr. Außerdem war das vielleicht die Chance, eine Spur zum Erpresser aufzunehmen.
    Sie klickte auf Nein. Ein Ja hätte der Kerl ihr sowieso nicht abgenommen.
    Warum nicht? , erschien und darunter ein Eingabefeld.
    Wer sind Sie? , tippte Ellen.
    Sie haben den Preis für diese Information nicht bezahlt.
    Ich werde mich nie vor Ihnen ausziehen.
    Das haben Sie schon.
    Bevor Ellen etwas erwidern konnte, zeigte der Monitor ein Bild. Das Bild zeigte sie selbst. Splitternackt. Sie kam gerade aus ihrem Bad. In der Hand hielt sie lose ein Handtuch.
    Verdammt! Das konnte doch nicht sein. Das durfte nicht sein. Woher …? Die Webcam! Oben über dem Monitor. Der Erpresser musste sie manipuliert und sie dadurch beobachtet haben.
    Hat er mich schon länger beobachtet? Hat er meinen Laptop gelöscht? Und vorher alles angesehen?
    Ellen holte ein paar Mal tief Luft. Dann nahm sie ein Pflaster und klebte die millimeterkleine Kamera an ihrem Laptop zu.
    Zu spät , erschien auf dem Monitor.
    Dann wurden in rascher Folge alte Bilder aus ihrem verborgenen Ordner eingeblendet. Manche zeigten sie zusammen mit Stefan, manche mit anderen, früheren Partnern. Auf manchen war sie allein. Keines der Bilder sollte jemals an die Öffentlichkeit kommen. Zuletzt kam ein kurzer Film, wie sie durch die Wohnung lief. Genauer gesagt: wie sie durch die Wohnung gelaufen war. Am Sonntagabend, dem letzten Tag, an dem ihr Leben noch normal war. Der Film stoppte, als Ellen ein Rotweinglas nahm.
    Wollen wir zusammen anstoßen? Nur wir beide?
    Das Eingabefeld wartete auf ihre Antwort. Gab es irgendetwas, das dieser Kerl nicht von ihr wusste? Was, wenn er diese ganzen Bilder an die Öffentlichkeit brachte?
    Den Gedanken, ihre Kollegen einzuschalten, verwarf Ellen sofort wieder. Zum einen waren die Erfolgsaussichten gering, zum anderen besaß sie weder Vertrauen zu Burgsmüller noch zu Kronen. An denen kam sie zurzeit aber nicht vorbei. Das war also keine Option. Wenn sie etwas herausfinden wollte, dann musste sie es allein schaffen.
    Wo kann ich Sie treffen?
    Die Antwort kam so selbstverständlich, als hätte der Erpresser mit nichts anderem gerechnet. Um fünf Uhr liegt an der Rezeption der Pension Berlin ein Umschlag für Sie bereit.
    p.s. : Wenn Sie ab jetzt telefonieren oder sonst eine Nachricht hinterlassen, wird unser Treffen nie stattfinden. Sie wissen, dass ich sehr aufmerksam bin. Schlafen Sie gut.
    Der Eröffnungsbildschirm des Browsers erschien, als ob es die Unterhaltung nie gegeben hätte.

44
     
    Vor der Pension Berlin an der U-Bahn Schönhauser Allee war kaum ein Mensch auf der Straße zu sehen.
    Punkt fünf Uhr ging Ellen zur Rezeption. Sie brauchte kein Wort zu sagen. Der Mann hinter dem Tresen war schon älter. Er hatte silbergraues, lichtes Haar. Er erkannte sie sofort. »Sie sind Frau Faber?«, fragte er.
    Ellen nickte, und sofort schob er ihr einen Umschlag hin.
    »Wer hat Ihnen diesen Umschlag gegeben?« Ellen erwartete kaum, dass ihr die Antwort weiterhelfen würde, aber versuchen wollte sie es wenigstens.
    »Ein Junge hat ihn vor ungefähr einer Stunde hier abgegeben. Er steckte in einem größeren Umschlag, der an die Pension adressiert war.«
    »Was war noch darin?«
    Der Portier zögerte, doch dann sagte er leise: »Eine Anweisung, Ihnen diesen Umschlag zu geben, und etwas Geld.«
    So ähnlich hatte Ellen sich das gedacht. Keine Hinweise auf den Absender. Keine Spuren. Sie riss den Umschlag auf. Darin war ein Schlüssel von einem Schließfach auf dem Flughafen Tegel
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