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Zehn (German Edition)

Zehn (German Edition)

Titel: Zehn (German Edition)
Autoren: Franka Potente
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Frau Kumagai kam immer mittwochs, und dienstags rief sie immer an, um sich anzumelden.  
    Der Reiskocher piepste. Ein Zeichen, dass nun der Abend anbrach.  
    Sie heizte den Kotatsu ein, den kleinen Tisch, unter dem eine Heizung versteckt war, und aß die Suppe, den Aal und den Reis vor dem Fernseher. Es gab Nachrichten und Englisch für Anfänger.  
    Nach einer Weile schaltete sie sogar den Heizteppich ein, so kalt war es geworden. Ihre Tochter hatte sie beim letzten Besuch ermahnt, sie solle nicht so oft auf dem Heizteppich schlafen, das sei nicht gut fürs Herz.  
    Am nächsten Morgen wurde sie von einem lauten Klopfen an der Hintertür geweckt. Sie war auf der Tatamimatte und dem Heizteppich eingeschlafen, ihre Füße noch unter den Kotatsu gestreckt.  
    Frau Kumagai kam früher als sonst.  
    Eilig stand Frau Nishki auf, fuhr sich durchs Haar und fand neben sich ihre Brille.  
    Frau Kumagai verbeugte sich höflich: »Guten Morgen, Nishki-san! Komme ich zu früh?«  
    Sie schien aufgeregt. Ihre Wangen waren gerötet, und sie sprach schneller als sonst.  
    Frau Nishki setzte Tee auf.  
    Fast wäre Frau Kumagai in ihrer Aufregung über die kleine Pflanze gestolpert, die mitten im Raum auf der Erde stand.  
    Erst als sie Frau Kumagai wiederholt dazu aufgefordert hatte, setzte die sich mit einer dankenden Verbeugung an den kleinen Tisch.  
    »Erlauben Sie, dass ich Ihnen einen Vorschlag mache?« Frau Kumagai wartete kaum ihre Zustimmung ab. »Kennen Sie die Tazawa Hotsprings?«  
    Frau Nishki hatte davon gehört. Der Tazawa-See bei Hachimantai war über vierhundert Meter tief, und die umliegenden heißen Schwefelquellen wurden vor allem von Leuten mit Krebsleiden aufgesucht.  
    Ob Frau Kumagai Krebs hatte? Sie kannten sich zwar, seit ihre Kinder noch ganz klein waren, aber über Krankheiten und andere intime Dinge sprachen sie nicht.  
    »Mein Sohn hat angeboten, mich und eine weitere Person am kommenden Wochenende dorthin zu fahren. Und ich dachte, vielleicht würden Sie uns die Freude machen und uns begleiten?«  
    Frau Nishki war überrumpelt. Ihr Haus verlassen? Hachimantai war weit, fast bei Yokohama.  
    Zunächst bedankte sie sich ausführlich bei Frau Kumagai für die nette Einladung. Diese bekräftigte die Einladung noch zweimal, damit war klar, dass dies ein ernst gemeintes Angebot war.  
    Sie konnte es unmöglich ausschlagen. Also sagte sie mit einer leichten Verbeugung zu.  
    Aber recht war es ihr nicht.  
    Am Donnerstag rief Frau Kumagai an, um ihr mitzuteilen, dass sie in einem Ryokan unweit von Hachimantai schlafen würden. Höflich erinnerte sie Frau Nishki daran, extra Pantoffeln für die Toilette mitzubringen.  
    Am Samstag würden sie sie früh abholen.  
    Am Donnerstagabend wurde Frau Nishki unruhig. Kurz überlegte sie, ob sie schon packen sollte, verwarf den Gedanken aber wieder. Sollte sie den Kindern Bescheid sagen, dass sie für einige Tage verreiste? Sie spürte ein Stechen in der Brust und musste sich setzen. Das Haus war so still, seit Hiroji fort war.  
    Sie schaltete den Fernseher ein. Da aßen die jungen Leute wieder um die Wette. Erschöpft schlief sie auf dem Heizteppich ein. Es war früh, und sie hatte nichts mehr gegessen.  
    Sie schlief unruhig und träumte, ihre Mutter stünde am Herd hinter dampfenden Töpfen und kochte für sie. Sie hatte sogar den köstlichen Duft einer herzhaften Suppe in der Nase.  
    Als sie am Freitag erwachte, war es kalt im Haus, und sie war sehr hungrig.  
    Sie nahm ein heißes Bad in der kleinen Sitzbadewanne und überlegte. Da war etwas, das ging ihr nicht aus dem Kopf … Was war es nur?  
    Plötzlich fiel es ihr ein: Nabemono! Eilig stieg sie aus der Wanne, trocknete sich zügig ab, zog ihren Hausanzug an und ging in die Küche.  
    Frau Nishki schaute in all die Beutel und Plastiktüten, es gab jede Menge Gemüse. Sie war erleichtert.  
    Sie setzte Suppe und Miso auf und beschloss, Nabemono, Eintopf, zu machen. Den könnte sie vor ihrer Abreise einfrieren und würde all das Wintergemüse aufbrauchen können.  
    Sorgfältig wusch sie die Shiitakepilze, bevor sie sie in feine Streifen schnitt. Dann hackte sie Lauch, Zwiebeln, Rettich und ein paar Algen. Der Eintopf war perfekt. So mochte sie ihn am liebsten. Ihr Mann hatte den Eintopf gerne kräftig gehabt. Mit Lachsbauch, Tofu und dunkler Sojasoße zusätzlich. Nach dem Rezept seiner Mutter.  
    Frau Nishki hatte noch eingefrorenen Lachsbauch. Sie nahm ihn zum Auftauen aus
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