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Zebraland

Zebraland

Titel: Zebraland
Autoren: Marlene Roeder
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erzählen, die Geschichte unseres unglücklichen Kleeblatts?
    Es geht hier um Menschen, die atmen, knutschen, heulen, Blut und Wasser schwitzen. Nicht um irgendwelche fremden Menschen.
    Es geht um uns vier: Judith, Philipp, Anouk und mich.
    Elmar ist unter dem Volvo hervorgerollt und sieht mich stirnrunzelnd an.
    Jetzt oder nie.
    Ich hole tief Luft und fange an.

Judith
    »Judith, deine Freunde sind da, um dich abzuholen!«, ruft meine Mutter vom Erdgeschoss herauf.
    Sie sind pünktlich. Sogar fünf Minuten zu früh. Die meisten Menschen achten nicht auf solche Details, aber mir sind sie sehr wichtig. Es ist wichtig, sich auf andere verlassen zu können. Und auf Phil kann ich mich zu hundert Prozent verlassen.
    »Jaaa, komme schon!« Ich spucke den letzten Rest Zahnpastaschaum aus, spüle nach und werfe einen Blick in den Spiegel: lange Beine, lange Nase, die mein Vater als stolze Adlernase bezeichnet.
    »Ein Zinken«, murmle ich resigniert. »Ein Hexenzinken. Was soll’s.« Ich lächle meinem Spiegelbild flüchtig zu, dann poltere ich die Treppe hinunter.
    Meine Mutter steht unten am Treppenaufgang: »Kannst du nicht wie andere Menschen in normalem Tempo laufen?«, fragt sie kopfschüttelnd. »Immer musst du rennen! Du wirst noch zu deiner eigenen Beerdigung gerannt kommen!«
    Eine andere Mutter hätte ihre Tochter vielleicht zum Abschied gedrückt, wenn sie ein paar Tage wegfährt. Aber zwischen uns ist das nicht so.
    »Tschüss, bis übermorgen«, sage ich, aber ich spreche ins Leere. Meine Mutter hat sich schon abgewandt. In mir zieht sich etwas zusammen.
    Da sehe ich zum Glück Phil, der draußen an der Gartenpforte steht und mir zuwinkt. Und in mir wird alles weit und leicht. Wie beim Laufen, wenn ich im richtigen Rhythmus bin. Nein, das ist besser als Laufen.
    Ich winke zurück. Dann schnappe ich mir die Isomatte und den Rucksack und stürme zur Haustür hinaus.
    »Hey, Hexe«, sagt Phil, als ich bei ihm ankomme, und lächelt.
    Ich tue so, als sei ich beleidigt, dass er mich so nennt. Dabei mag ich das eigentlich. Weil es an unsere gemeinsame Geschichte erinnert.
    »Hey, Phil«, antworte ich. Gemeinsam laufen wir zu dem alten weißen Mercedes hinüber, der am Straßenrand wartet. Anouk, Phils Freundin, sitzt am Steuer.
    Phil öffnet den Kofferraum des Wagens. »Cool, dass du zwei Tage Festival mit uns noch auf deiner aktuellen To-do-Liste unterbringen konntest«, meint er und grinst sein typisches Philipp-Grinsen, bei dem nur ein Mundwinkel spöttisch hochgezogen ist. Ständig macht er sich über meine Listen lustig.
    »Die helfen mir den Überblick zu behalten. Wichtiges von Unwichtigem zu trennen«, verteidige ich mich.
    »Super, Hexe«, sagt er ironisch und verstaut meine Isomatte im Kofferraum.
    Dabei war die Sache mit den Listen eigentlich sein Einfall. Wir waren damals vierzehn und hatten uns gegenseitig interviewt, was wir in zehn Jahren erreicht haben wollen. Wenn wir vierundzwanzig und erwachsen sind, werden wir uns gegenseitig zur Rechenschaft ziehen und überprüfen, ob wir für unsere Träume gekämpft und sie verwirklicht haben. Das ist der Plan.
    Phils Liste, in meiner ordentlichen Mädchenschrift verfasst, harrt in meiner Nachttischschublade auf den Tag der Wahrheit. Keine Ahnung, wo er meine hat. Ich kann sie sowieso auswendig:
    Was Hexe in 1 0 Jahren erreicht haben will
    1.) Die Deutschen Jugendmeisterschaften im 100-Meter-Sprint gewinnen.
    2.) Mit Phil in eine weit entfernte Stadt ziehen und dort in einer coolen WG wohnen.
    3.) Zusammen mit Phil Journalistik studieren.
    4.) Gegen Ungerechtigkeit und Unwahrheit kämpfen!
    5.) Sich nicht mehr wegen ihrer Eltern schlecht fühlen.
    »Statt über meine Listen zu lästern, solltest du froh sein, dass ich überhaupt mitkomme«, erwidere ich eingeschnappt und pfeffere meinen Rucksack in den Kofferraum. »Es sind nur noch ein paar Wochen bis zu den Qualifikationen für die Jugendmeisterschaften. Eigentlich müsste ich trainieren, anstatt mit euch auf dieses komische Festival zu fahren!«
    »Ich bin froh, dass du mitkommst«, sagt Phil plötzlich ganz sanft. »Aber wenn du jetzt nicht endlich einsteigst, kannst du zum Festival joggen. Das wäre bestimmt ein prima Training!«

Ziggy
    Z: »Hätte ich damals gewusst, was auf mich zukommt, wäre ich zu Hause geblieben. Ich hätte mir die Bettdecke über den Kopf gezogen und mit angehaltenem Atem gewarte t …«
E: »Gewartet? Worauf?«
Z: »Darauf, dass dieser Kipppunkt in meinem Leben verstreicht.
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