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Zauberschiffe 03 - Der Blinde Krieger

Titel: Zauberschiffe 03 - Der Blinde Krieger
Autoren: Robin Hobb
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pumpenden Kiemen ein.
    »Alles wird gut«, versuchte Sessurea sie zu beruhigen. »Du bist nur müde. Und hungrig. Wie wir alle.«
    »Todmüde«, bestätigte Maulkin erschöpft. »Und fast wahnsinnig vor Hunger. Die Entbehrungen des Körpers beeinträchtigen das Funktionieren des Geistes. Aber hört mir zu, ihr beiden. Hört mir zu und merkt es euch und haltet euch daran. Wenn alles andere vergessen ist, hegt und pflegt diesen Gedanken: Wir können nicht wieder nach Süden gehen. Wenn wir diese Gewässer verlassen, dann ist es endgültig. Solange wir denken können, müssen wir hier bleiben und nach ihr suchen, nach Einer, die sich erinnert. Ich weiß es instinktiv. Wenn wir diesmal nicht wiedergeboren werden, dann werden wir uns niemals erneuern. Wir und alle von unserer Art werden untergehen und von da an für immer unbekannt sein im Meer, in der Luft oder auf dem Land.«
    Er sprach die merkwürdigen Worte langsam aus, und einen Moment glaubte Shreeva, sie könnte sich an das erinnern, was sie bedeuteten. Nicht die Fülle oder die Leere. Die Erde, der Himmel und das Meer, die drei Teile ihres Hoheitsgebietes und früher einmal die drei Sphären von… von irgendwas.
    Maulkin schüttelte erneut seine Mähne. Diesmal öffneten Shreeva und Sessurea ihre Kiemen weit, um seine Gifte und die darin enthaltenen Erinnerungen tief in sich einzusaugen. Shreeva sah auf die behauenen Felsbrocken hinunter, die sich auf dem Meeresboden türmten, auf die Schichten von Muscheln und das Seegras, das wie ein verhüllender Vorhang über dem Bogen des Eroberers hing. Der schwarze Stein, den silbrige Adern durchzogen, schien nur an wenigen Stellen hindurch. Die Erde hatte ihn in einem gewaltigen Beben heruntergeworfen, und das Meer hatte ihn geschluckt. Früher einmal, vor Äonen, war sie auf diesem Bogen gelandet, hatte ihre gewaltigen Schwingen ausgebreitet und dann hinter ihren Schultern zusammengefaltet. Sie hatte dem Gefährten ihre Freude in dem frischen Morgenregen zutrompetet, und ein strahlender blauer Drache hatte ihr seine Antwort entgegengeschmettert. Früher einmal hatten die Altvorderen ihre Ankunft mit Blumen und Willkommensrufen begrüßt. Früher einmal, in dieser Stadt unter einem strahlendblauen Himmel…
    Es verblasste. Und es ergab keinen Sinn. Die Bilder verblassten wie Träume nach dem Erwachen.
    »Seid stark!«, forderte Maulkin. »Wenn es uns nicht bestimmt sein sollte zu überleben, dann wollen wir wenigstens bis zum Ende kämpfen. Soll uns doch das Schicksal auslöschen, nicht unsere eigene Verzagtheit. Um des Schicksals unserer ganzen Art willen sollten wir dem treu sein, was wir sind.« Sein Kamm stand aufgerichtet und giftig von seinem Hals ab. Wieder einmal sah er aus wie der visionäre Führer, der vor so langer Zeit Shreevas Loyalität gewonnen hatte. Ihr Herz schwoll an mit ihrer Liebe zu ihm.
    Plötzlich verdunkelte sich die Welt, und sie hob den Blick zu dem großen Schatten, der über ihnen entlangschwebte. »Nein, Maulkin«, trompetete sie leise. »Wir sind nicht dem Untergang geweiht und auch nicht dem Vergessen. Sieh nur!«
    Ein dunkler Versorger glitt träge über ihnen dahin. Als er sich direkt über ihren Köpfen befand, warf er ihnen Futter zu. Das Fleisch sank langsam zu ihnen herab und bewegte sich sacht in der Strömung hin und her. Es waren tote Zweibeiner. An einem hing noch eine Kette. Sie würden nicht um ihre Nahrung kämpfen müssen. Sie brauchten sie nur zu akzeptieren.
    »Kommt«, drängte sie Maulkin, als Sessurea sich von ihnen löste und eilig dem Futter entgegenschwamm. Sanft zog sie Maulkin mit sich, als sie sich erhob, um die Spende des Versorgers in Empfang zu nehmen.

1. Das verrückte Schiff

    Die Brise wehte kalt und frisch über sein Gesicht und seine Brust, aber etwas in ihr versprach die baldige Ankunft des Frühlings. Die Luft schmeckte nach Jod, und es herrschte Ebbe. Der Saum aus Seetang direkt an der Wasserlinie war deutlich zu sehen. Der grobe Sand unter seinem Rumpf war noch feucht von den starken Regenfällen der letzten Tage. Und der Rauch von Ambers Feuer kitzelte ihn in der Nase. Die Galionsfigur drehte den Kopf zur Seite und kratzte sich.
    »Es ist ein schöner Abend, findest du nicht?«, fragte Amber im Plauderton. »Der Himmel ist ganz klar. Da sind zwar noch ein paar Wolken, aber ich kann den Mond und sogar ein paar Sterne sehen. Ich habe Muscheln gesammelt und sie in Algen eingewickelt. Sobald das Feuer stärker brennt, nehme ich ein bisschen Holz weg und
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