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Zärtlicher Hinterhalt

Zärtlicher Hinterhalt

Titel: Zärtlicher Hinterhalt
Autoren: Christina Dodd
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hatten, dümmliche Lügenmärchen nachzuplappern. »Ich bin mit solchen Geschichten durchaus vertraut. Die jungen Damen, die ich zu unterrichten pflegte, hatten ihre helle Freude daran. Die Familie ist also verflucht worden. Von einem Zigeuner? Einer Hexe? Aus welchem Grund? Einer vereitelten Liebe wegen? Aus Rache?«
    »Machen Sie sich ruhig lustig über mich, Lady; aber das ändert nichts daran, dass wir vor zehn Jahren bei einem Schiffsuntergang vor der schottischen Küste zwei Erben verloren haben. Vor vier Jahren ist auch der alte Lord gestorben, letztes Jahr sein Cousin von den Klippen gestürzt, dann
dessen
Bruder von einer Treppe, und mittlerweile haben wir diesen Lumpen hier, der nur ein entfernter Verwandter ist und nicht mal aus Lancashire!«
    Das Ganze amüsierte Hannah nicht mehr. Sie würde den Teufel tun und den Erzählungen eines zwielichtigen Bediensteten glauben; doch falls er die Wahrheit sagte, handelte es sich unstreitig um eine Tragödie.
    »Sie können dem gegenwärtigen Hausherrn nicht seine Herkunft zum Vorwurf machen«, bemerkte sie. »Beurteilen Sie ihn lieber nach seinen guten Taten und seiner Sorge um das Anwesen.«
    Alfred schnaubte. »Ist kaum ein Jahr hier und hat alles gut in Schuss.«
    »Sehen Sie!«, meinte sie munter.
    »Aber was nutzt das, wenn er doch seine eigenen Leute umbringt?«
    Die hölzernen Räder rumpelten so heftig übers Wurzelwerk, dass Hannah die Zähne aufeinander schlugen. Außerdem schmerzte ihr Hinterteil von dem harten Sitz. Die Nebelschwaden machten ihr die Wangen feucht. Das Schlimmste war allerdings, dass ihr langsam der gesunde Menschenverstand abhanden kam. Doch sie bewahrte ihren ruhigen, missbilligenden Tonfall: »Sie sollten es besser wissen und keine skandalösen Klatschgeschichten über Ihren Hausherrn verbreiten.«
    »Sind nicht meine Klatschgeschichten, Miss. Sondern von seinen persönlichen Bediensteten.« Alfred krümmte die Schultern und starrte verdrossen geradeaus, als könne er die vom Nebel verschluckte Straße tatsächlich sehen. »Ist schon ein paar Jahre her, da hat er eine junge Lady geheiratet. Hübsch soll sie gewesen sein und immer fröhlich, und gereizt hat sie ihn bis zum Wahnsinn. Wenn sie einander nicht gerade geliebt haben, dann zankten sie sich. Zankten, zankten, zankten. Dann haben sie sich wieder geliebt und neu gezankt. Nach einem richtig großen Streit ist sie zuletzt auf und davon und verschwunden, sagt der Kutscher Seiner Lordschaft.«
    »Das heißt aber noch nicht, dass Seine Lordschaft seine Frau getötet hat.«
    »Ein paar Wochen später haben sie doch eine Frauenleiche gefunden, die die wilden Tiere übel zugerichtet hatten.«
    Hannah kämpfte immer noch tapfer darum, Vernunft walten zu lassen. »Aber das ist kein Beweis.«
    »Er ist hingegangen und hat sich die Leiche angesehen. Hat behauptet, sie sei es nicht. Aber die Zofe seiner jungen Frau hat ihm ins Gesicht gesagt, dass er sie umgebracht hätte. Der Lord hat's nicht abgestritten, sondern sie nur angestarrt, grimmig wie der Tod, bis sie davongelaufen ist, die Zofe. Seit damals ist er nicht mehr derselbe. Lacht nie, gönnt keinem ein freundliches Wort und kann nicht mehr schlafen. Nachts reitet er über seine Besitzungen. Und das sind keine Klatschgeschichten, Miss. Habe ihn eines Nachts selber gesehen, mit brennenden, fiebrigen Augen.«
    Der Gaul schien den Weg, der den steilen Abhang hinaufführte, von selber zu finden, denn die Zügel hingen schlaff in Alfreds Pranken. Hannah umklammerte mit einer Hand das Damentäschchen, mit der anderen die Sitzbank und kämpfte gegen die Versuchung an, über die Schulter nach hinten zu sehen.
    Ahnungsvoll warnte Alfred sie: »Wenn ich Sie wär, Miss, ich würde abhauen, solange es noch geht. Ein Mann, der jemand umbringt, tötet auch ein zweites Mal.«
    Wie hatte Alfred herausgefunden, dass sie die richtige Kandidatin für Schauergeschichten dieser Art war? Vermutlich lachte er leise in sich hinein, während sich Hannah verstohlen abmühte, ihre Gänsehaut loszuwerden.
    Wie auch immer – dass er erfolgreich gewesen war, würde sie ihm jedenfalls nicht zeigen. Im strengsten Tonfall, den sie noch zustande brachte, wandte sie ein. »Und wenn Seine Lordschaft der blutrünstige Mörder wäre, für den Sie ihn halten, bin ich sicher nicht wichtig genug, seine Aufmerksamkeit Zu erregen.«
    »Einem eingefleischten Mörder entgeht man nicht.«
    »Falls ich Raeburn Castle verlassen sollte, dann bestimmt nicht wegen irgendwelcher
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