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Zärtliche Wildnis

Zärtliche Wildnis

Titel: Zärtliche Wildnis
Autoren: Mary Scott
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traurigen Jahre vergessen ließ, dann würde sie ihr Leben schon meistern. Kay hatte von Anfang an geahnt, daß sich hinter diesem stillen Gesicht eine Rebellin verbarg, doch wenn sie an die zerschrammte Seekiste in Liz’ Zimmer dachte, dann schauderte ihr. Es war ein Segen, daß diese Zeiten endlich vorbei waren.
    An dem Morgen, an dem die Mädchen sich trennen mußten, fuhr der unvermeidliche junge Mann sie zum Reisebüro, und Liz brachte es tatsächlich fertig, dem Jungen vergnügt auf Wiedersehen zu sagen, als er ihr Gepäck hineintrug. Sie hatte schon Fortschritte gemacht und errötete nur tief, als er ihr einen flüchtigen Kuß auf die Wange drückte. Während Liz zum Schalter ging, um sich ihr Billett zu holen, sah Kay sich die Gruppe an, die sich um den Reisebus versammelt hatte. Auf den ersten Blick war sie entsetzt; lauter ältere Frauen und eine Handvoll Ehepaare. Nicht ein vergnügtes, junges Gesicht unter ihnen. Als sie jedoch näher hinsah, kam sie zu dem Schluß, daß der erste Blick getrogen hatte. Diese Frauen waren vielleicht nicht jung und schick, aber sie machten einen intelligenten und sympathischen Eindruck. In der Nähe stand eine mütterlich wirkende Frau, die sich mit einer Freundin unterhielt, und Kay, der es nie an Unternehmungsgeist fehlte, trat unverfroren auf sie zu.
    »Entschuldigen Sie, machen Sie auch diese Rundreise in den Norden mit?« Als die Frau bejahte, fuhr sie fort: »Meine Freundin nämlich auch Sehen Sie, das Mädchen in dem blauen Kostüm da drüben?«
    Gut, dachte sie, daß sich Liz für den Anfang gegen den Hosenanzug entschieden hatte, wenn auch diese Frauen freundlich und großzügig wirkten.
    »Ja, sie ist uns schon aufgefallen. Ein reizendes Ding, und so ein hübsches Kostüm.«
    »Sie ist erst einundzwanzig und hat vor kurzem ihre Mutter verloren«, fuhr Kay mit geheucheltem Bedauern fort. »Sie braucht unbedingt Tapetenwechsel, wissen Sie. Sie hat ihre Mutter zwei Jahre Tag und Nacht gepflegt.«
    »Ach, wie traurig«, murmelte die Frau.
    »Ja, sehr traurig. Deshalb überredete ich sie, diese Reise mitzumachen. Aber sie ist schrecklich schüchtern und unerfahren, weil sie ja jahrelang kaum einen Fuß über die Schwelle ihres Hauses gesetzt hat. Würde es Ihnen und Ihrer Freundin etwas ausmachen, sich ein wenig um sie zu kümmern?«
    Kay hatte ihre Wahl klug getroffen. Diese Frau war ein warmherziger, gütiger Mensch.
    »Wie traurig«, sagte sie, »daß sie schon so früh ihre Mutter verlieren mußte.«
    Kay seufzte pflichtschuldigst und dachte, es wäre besser gewesen, wenn sie sie schon zwei Jahre früher verloren hätte.
    Laut sagte sie: »Ja, und im Umgang mit Fremden ist sie sehr scheu. Glauben Sie, Sie könnten...«
    Die Antwort kam herzlich und spontan.
    »Natürlich kann ich. Das können wir alle. Wir sind zu elft, alle aus derselben Gegend. Wir haben uns die Reise zusammengespart, um es uns einmal richtig gutgehen zu lassen. Wir kommen nämlich alle von Farmen, und viel Geld bleibt in der Landwirtschaft nie übrig. Aber wir sind alle gute Freundinnen und es macht uns Freude, etwas Junges unter uns zu haben. Ihre Freundin ist ein niedliches Ding, aber man sieht ihr an, daß sie schüchtern ist. Wir werden uns schon um sie kümmern, keine Sorge, aber es ist schade, daß nicht ein paar nette junge Männer mitfahren. Nur lauter Ehepaare und wir Frauen.«
    »Ach, sie hat ein so merkwürdiges und behütetes Leben geführt, daß sie vor jungen Männern beinahe Angst hat. Bei Ihnen wird sie sich wohlfühlen, und ich bin Ihnen wirklich dankbar, daß Sie — «
    Doch in diesem Moment tauchte Liz auf, ihr Billett in der Hand. Sie schien etwas außer Atem.
    »Der Mann am Schalter sagte — oh, störe ich? Ich wußte gar nicht, daß du hier jemanden kennst.«
    »Ich kannte auch niemanden«, versetzte Kay vergnügt, »aber das hat sich soeben geändert. Nur die Namen weiß ich nicht. Ich bin Kay Dayton und das ist Elizabeth Mortimer. Wir haben uns gerade über die Reise unterhalten.«
    »Und ich bin Jessie Wheeler, und ich habe zwei Söhne im Internat und zwei kleine Nachzügler zu Hause. Aber Miss Dayton hat mir eben von Ihrem Verlust erzählt, mein Kind. Ich verspreche Ihnen, wir werden unser Bestes tun, um Sie ein bißchen aufzuheitern. Mütter haben wir genug unter uns, wir haben alle unsere Kinder zu Hause gelassen. Sie sind der einzige junge Mensch hier. Langweilig für Sie, aber nett für uns. Und« — als eine Frau zu ihnen trat — »das ist meine Nachbarin,
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