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Zähl nicht die Stunden

Titel: Zähl nicht die Stunden
Autoren: Joy Fielding
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verschwamm. »Ich liebe dich«, sagte er noch einmal.
    Was gab es sonst zu sagen?
    Erneutes Schweigen, noch länger als das vorherige. Unendlich.
    »Ich liebe dich«, flüsterte Mattie.
    »O Gott«, rief Jake. »Ich liebe dich so sehr.«
    »Ich liebe dich so sehr«, wiederholte Mattie und weinte mit ihm.
    Liebe dich, liebe dich, liebe dich, liebe dich. »Wir fahren zurück in die Stadt und suchen uns ein anderes Hotel« , begann Jake.
    »Nein« , unterbrach Mattie ihn und strich ihm unbeholfen über die Wange. Er fasste ihre Hand und küsste sie. »Es wird Zeit , Jake« , sagte Mattie , und Jake nickte traurig und wissend. »Es wird Zeit heimzukehren.«
    32

    Zwei Tage früher als geplant trafen sie um vier Uhr nachmittags m
    Chicago ein. »Irgendwas stimmt nicht« , sagte Mattie, als die Limousine vor ihrem Haus hielt. Neben dem ramponierten alten grünen Ford ihrer Mutter parkte ein weißer Lieferwagen in der Einfahrt. Was wollte ihre Mutter hier?, fragte Mattie sich, während sie die ausführliche
    Beschriftung des Lieferwagens studierte, die in schnörkeligen roten
    Lettern verkündete: »Gebäudereinigung Capiletti«.
    »Zieh keine voreiligen Schlüsse«, ermahnte Jake sie, bezahlte den Fahrer und half Mattie beim Aussteigen.
    »Meinst du, irgendjemand ist eingebrochen? Oder es hat gebrannt?«
    Mattie suchte die Fassade des Hauses nach Brandspuren ab.
    »Sieht alles okay aus.«
    »Hallo?«, rief Mattie, als Jake die Haustür öffnete. »Hallo? Mutter?«
    Mattie trat nervös in den Hausflur. Plötzlich marschierte eine Frau in Jeans, schlabbrigem Hemd und Kopftuch über den braunen Haaren mit
    einem großen grünen Müllsack durch den Flur Richtung Küche. Sie
    lächelte. »Wer sind Sie?«, fragte Mattie. »Was ist hier los?«
    »Martha?«, rief ihre Mutter von oben, während die fremde Frau in der Küche verschwand. »Bist du das?«
    »Mutter? Was ist hier los?«
    »Versuche, ganz ruhig zu bleiben«, drängte Jake.
    »Du bist zu früh«, sagte ihre Mutter zur Begrüßung, eilte die Treppe hinunter und blieb unten abrupt stehen. Wie die Frau in der Küche trug sie Jeans und ein weites Sweatshirt. Ihr graues Haar hatte sie zu einem lockeren Dutt hochgesteckt , obwohl mehr Strähnen aus dem violetten Haarband heraushingen, als von ihm gehalten wurden. »Wir haben euch
    erst in ein paar Tagen zurückerwartet.«
    »Was geht hier eigentlich vor?«, fragte Mattie , ohne ihre vorzeitige Rückkehr weiter zu erklären.
    »Es ist nicht so schlimm, wie es aussieht« , begann ihre Mutter.
    »Vielleicht sollten wir uns hinsetzen.«
    »Was ist hier los?« , wiederholte Mattie.
    »Es hat eine Party gegeben , die, fürchte ich, ein wenig außer Kontrolle geraten ist. Ich hatte gehofft, dass wir alles wieder sauber kriegen, bis ihr zurückkommt.«
    »Du hast eine Party gefeiert?«, fragte Mattie ungläubig. Wann hatte ihre Mutter je irgendwen außer ihren Hunden bewirtet?
    »Wir setzen uns lieber«, drängte ihre Mutter, als ein stämmiger junger Mann in weißem T-Shirt aus Jakes Arbeitszimmer kam, in Händen die
    Raphael-Goldchain-Fotografie, die Jake kürzlich erworben hatte. Der Rahmen war zerbrochen, das Glas zersplittert und das Bild des spärlich bekleideten Pin-up-Models sauber in zwei Hälften zerschnitten.
    »Was soll ich damit machen?«, fragte der junge Mann und schwenkte
    ein sich provozierend räkelndes , halb nacktes weibliches Hinterteil.
    Jake war sofort aufgesprungen und hatte dem jungen Mann das Bild
    aus den schwieligen Händen genommen. »Mein Gott , was ist passiert?
    Wer hat das getan?«
    »Das versucht die Polizei noch herauszufinden«, erklärte Matties
    Mutter. »Bitte, lasst uns ins Wohnzimmer gehen und uns hinsetzen. Ihr müsst doch völlig erschöpft sein von der Reise.«
    Mattie sah, wie Jake die zerstörte Fotografie zu Boden fallen ließ, seine ungläubige Miene ein Spiegel ihrer Empfindungen. Was war hier geschehen? Sie fühlte sich plötzlich benommen und schwindelig und
    sank in Jakes Arme. Er führte sie ins Wohnzimmer und setzte sie auf die Kante des Sofas , dessen vormals glatter Bezug mit Bier und Ascheresten verschmutzt war.
    »Offenbar ist dieses Ultrasuede , aus dem die Bezüge sind , eine Art Wunderfaser«, sagte ihre Mutter. »Mr. Capiletti ist sicher, dass er das Sofa praktisch wieder wie neu hinkriegt.«
    »Das war Mr. Capiletti?«, fragte Jake und wies mit dem Kopf
    Richtung Hausflur.
    »Sein Sohn. Es ist ein Familienunternehmen. Vielleicht habt ihr beim Reinkommen Mrs. Capiletti
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