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Yoga Bitch

Titel: Yoga Bitch
Autoren: Danijela Pilic
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sonst darauf achtete. Wie elementar es doch war.
    Ein paarmal machte Jana eine Übung vor, wahrscheinlich, wenn wir sie alle schlecht machten. Sie erklärte locker und atmete gleichzeitig und verbog sich dann ganz vorzüglich, und wir gafften auf ihre schlanke schwarze Silhouette und dachten alle dasselbe, die kleine Dünne, der dicke Alte, die Szenemaus, der Spießer und ich: Oh Mann, wie leicht das aussieht. Wie ich wohl dabei aussehe? Ob ich das wohl jemals so hinkriege? Wenn ja, wann? Aber natürlich ließen wir uns das nicht anmerken, sondern vertieften uns erneut beherzt in den nach unten schauenden Hund. Dieser Hund – das würde ich noch lernen –
ist der beste Freund des ungeübten Yogi, denn obwohl er höllisch anstrengt, ist er im Vergleich zu anderen Asanas ein Spaziergang über eine Sommerwiese.
    Zum Schluss kam das Shavasana, die Totenstellung, eine Art Tiefenentspannung und wichtig für die Wirksamkeit aller vorausgegangenen Übungen. Hilfe! Alles, was Meditation auch nur streifte, war ein Albtraum für mich, seit ich in der zehnten Klasse bekommen hatte, was man in Bayern einen »verschärften Verweis« nannte. Ich wurde außerdem des Klassenzimmers verwiesen, weil ich bei der Meditation im Ethik-Unterricht einen hysterischen Lachanfall bekam. Gut, ich war 16 und hormonell darauf programmiert zu kichern, aber bei der Kassette, die Herr Oberhuber einlegte, würde ich wohl auch heute losprusten. Die Kassette ratterte und eierte, und eine bekiffte weibliche Stimme wiederholte immer wieder mechanisch: Ich bin … eine … kleine … weiße … Wolke …
    Oh Gott, bloß jetzt nicht daran denken! Andererseits war ich so erledigt, dass ich nicht zweimal fragen würde, ob ich mich hinlegen sollte, ohne etwas zu tun. Jana betonte natürlich, dass das Shavasana kein Nichtstun sei. War mir gerade recht, solange ich keinen Muskel mehr bewegen musste.
    Ich bin keine weiße Wolke, dachte ich . Ich liege auf dem Boden und entspanne mich und habe gerade die erste Yoga-Stunde hinter mir. Juhu!, dachte ich . Später, wenn ich nach Hause komme, muss ich sofort die Überweisung für die Kfz-Versicherung machen. Soll ich auf dem Weg noch Tomaten holen? Oder habe ich noch … Hmm, ich habe noch Lasagne im Kühlschrank. Und Fleisch! Ich muss meinen Bruder anrufen. Wann wollten wir uns noch mal treffen, war das Donnerstag? Hatte ich da nicht Kino mit Polly ausgemacht? Schnarcht der dicke Alte etwa? Oder röchelt er nur? Ich glaube, ich kaufe doch Tomaten, die anderen sind sicher schon schlecht. Dass ich mein Gemüse aber auch immer verrotten lasse. Der Typ schnarcht wirklich.
    So ungefähr sah zunächst meine erste Shavasana-Meditation aus. Ich dachte alles durcheinander und noch mehr. Doch irgendwann immer weniger. Und dann hörte ich nur noch Janas Stimme: »Lasst die Gedanken vorbeiziehen. Verdrängt sie nicht. Beobachtet nur.«
    Zum Schluss: Noch ein Lotussitz, drei ohne große Vorankündigung ohne mich gesungene Oms – also doch! – und ein Namasté, was, glaube ich, so viel wie ein nettes, indisches »Tschüss« war. Man sollte sich aus Respekt vor allen Lebewesen und vor allem auch vor sich selbst verbeugen. Dagegen ließ sich nicht viel sagen.
    Das, was alle Yogis immer behaupten und das so diffus schien – dass man einen anderen, klaren Blick auf die Dinge bekommt –, galt auch für mich. Sofort. Als ich nach der ersten Stunde pfeifend nach Hause ging, fühlte ich mich größer und war stolz auf mich. An einer Straßenecke unweit meines Hauses erblickte ich plötzlich eine riesige Baustelle (Town Houses), die schon fast fertig schien, mir aber nie vorher aufgefallen war. Wie konnte das möglich sein? Eine riesige, laute Baustelle! Ich hatte sie nie zuvor bemerkt. Allerdings war das nicht gerade die Art von Erleuchtung, die ich in meinem Leben vermisst hatte. Trotzdem: Ich sah klarer. Später würde ich lesen, dass im Yoga-Sutra, dem zentralen Ursprungtext der Yogis, das wie folgt erklärt wird:
    Avidya, das für menschliche Ignoranz und Verwirrung steht, hindert uns daran, richtig zu sehen und die Dinge so zu erkennen, wie sie sind, und deshalb leiden wir. Das Leiden beschlägt die Linse unseres Geistes und hindert uns daran, klar zu sehen. Yoga kann uns dabei helfen, das Avidya zu reinigen.
    Yoga ist also eine Art kosmisches, spirituelles Brillenputztuch – deshalb faseln auch so viele davon, dass sie klarer sehen. Bei mir musste es eine Baustelle sein, aber ich schätze, ein Anfang ist besser als gar
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