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Yofi oder Die Kunst des Verzeihens – Ein Nashorn lernt meditieren

Yofi oder Die Kunst des Verzeihens – Ein Nashorn lernt meditieren

Titel: Yofi oder Die Kunst des Verzeihens – Ein Nashorn lernt meditieren
Autoren: Oliver Bantle
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atme ich wieder aus.«
    Yofi war anzumerken, dass er heftig nachdachte.
    Mit Antros gelingt das nie!
    »Bist du bereit, es zu versuchen?«, fragte Meru.
    Der Enkel war nur mäßig überzeugt. Trotzdem nickte er.
    »Stell dir vor, Antros ist grimmig.«
    Damit hatte Yofi wahrlich keine Mühe.
    »Atme das Bild in dein Herz.«
    Er atmete.
    »Jetzt atme ein Bild aus, auf dem deinem Feind anzusehen ist, dass er seinen Traum wahr gemacht hat.«
    Yofi sah Antros beim Abstieg vom Hohen Berg und ließ die Luft ausströmen. Nach ein paar Atemzügen wurde es warm in seiner Brust.
    »Das kannst du üben, wann immer du möchtest«, sagte Meru.
    »Heißt das, ich kann lernen, nie mehr wütend zu sein?«
    »Nein, das wäre unsinnig. Wut ist sehr kostbar! Mit ihrer Hilfe kannst du dich schützen. Manchmal ist sie auch notwendig, um Hindernisse beiseite zu räumen, die den eigenen Weg versperren.«
    »Und der ganze Rummel mit den Bildern und dem Schnaufen?«
    »Der heilsame Atem dient uns, damit wir beeinflussen können, wie lange wir zornig bleiben.«
    Der Fluss war breiter geworden. Immer öfter strömte ein Bach oder ein Flüsschen hinzu; die andere Uferseite war nur noch verschwommen zu sehen. Yofi übte wieder und wieder, was Meru ihm beigebracht hatte.
    »Weshalb fühle ich mich so wohl, wenn ich so atme?«
    »Wenn die Augen deines Gegners vor Freude leuchten, dann wirst du von ihm bestimmt angelächelt. Das tut jedem gut.«
    »Und die Traumschlürfer?«
    »Sie verschwinden.«
    »Ach – einfach so?«
    Yofi war erneut verblüfft.
    »Damit sie ein Bild fälschen können«, holte Meru aus, »müssen sie hineinkriechen. Folglich atmest du auch sie in die Herzensmitte.«
    Yofi erschrak.
    »Aber genau dahinein wollen sie! Ich muss sie doch loswerden!«
    »Keine Sorge, das wirst du auch«, beruhigte ihn Meru. »In der Mitte des Herzens ist es für sie zu heiß – und zu hell. Sie lösen sich auf, als würden sie in der Sonne verglühen. Empfindest du noch Groll?«
    »Er ist weniger geworden ... An den fröhlichen Antros muss ich mich allerdings noch gewöhnen.«
    »Wenn du keine alte Wut mehr spürst, dann hast du ihm vergeben«, sagte Meru.
    Zuerst glaubte Yofi, sich verhört zu haben.
    »Ich habe was ?«
    »Wenn dir im Herzen nichts mehr wehtut, hast du ihm verziehen.«
    Yofi hatte das Gefühl, als wäre er gegen einen Baum gerannt. Alles, was er in letzter Zeit gelernt hatte, war wie weggeblasen. Mit einem Mal brach der alte Groll wieder hervor.
    »Das werde ich nie tun. Ich vergebe keinem Verräter!«
    »Aua«, sagte Meru.
    »Wieso aua?«
    »Gerade hat dein Herz laut aua geschrien.«
    »Um wen geht es jetzt: um Antros oder um mich?«
    Meru antwortete ruhig:
    »Um dich . Ich hätte es genauer ausdrücken sollen: Wenn du keinen Groll mehr hegst, dann hast du dir verziehen.«
    Nun geriet der Enkel in Rage. Am liebsten wäre er auf den Großvater losgestürmt.
    »MIR? Es gibt nichts, was ich mir verzeihen muss!«
    »Du musst nicht. Aber du könntest. Antros hat dich ein Mal attackiert. Du hingegen hast dich inzwischen mit deiner Fantasie unzählige Male selbst verletzt.«
    »Pah!«
    Zornig polterte Yofi am Ufer entlang.
    Er hat mich reingelegt!
    Von Verzeihen war nie die Rede!
    »NEIN!«, dröhnte er am Abend in die Stille. »Ich werde Antros nie mehr vertrauen!«
    »Wer verlangt das?«, fragte Meru.
    »DU! Mit deinem Gefasel vom Verzeihen.«
    Der Großvater berührte ihn sanft mit dem Kopf.
    »Verzeihen ist leider in Verruf geraten. Du musst nicht gut finden, was Antros getan hat.«
    »Und er fühlt sich weiter im Recht?«, brauste der Enkel auf. »Das nächste Mal darf er mich dann wieder angreifen. Am besten, ich ergebe mich, sobald ich ihn rieche. Dann muss er sich gar nicht erst anstrengen ...«
    »HÖRST DU ÜBERHAUPT ZU?«
    Yofi schreckte zusammen. Es war das erste Mal, dass der Großvater laut geworden war.
    »Du musst niemals zulassen, dass dich jemand verletzt. Du musst auch nie wieder mit Antros reden. Du darfst sein Feind bleiben. Wenn du willst: lebenslang.«
    »Ich dachte, ich soll ihm vergeben ...?«
    »Verzeihen heißt: aufhören, sein eigenes Herz zu verletzen. Mehr nicht.«
    »Aber ...«
    »Kein aber! Dein Atem kann dich heilen. Antros muss davon überhaupt nichts erfahren. Solange du aber auf Tobsucht und Jähzorn beharrst, solange freuen sich die Traumschlürfer.«
    Merus Augen funkelten in der Dunkelheit.
*
    Yofi machte fast die ganze Nacht kein Auge zu. Am Morgen platzte er nach der Besinnung
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