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Yendi

Yendi

Titel: Yendi
Autoren: Steven Brust
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Über meine Verbindung konsultierte ich die Imperiale Uhr und stellte fest, daß mir noch über eine Stunde Zeit blieb. Das Warten ist es, was einen an diesem Geschäft so fertigmacht.
    Ich lehnte mich zurück, legte die Füße auf den Tisch und starrte an die Decke. Sie bestand aus Holzlatten, die einmal lackiert gewesen waren. Ein Erhaltungszauber hätte etwa dreißig in Gold gekostet und die Farbe für mindestens zwanzig Jahre frisch gehalten. Aber der »Göttliche Boß« hatte es nicht für nötig gehalten. Jetzt blätterte die Farbe, ein krankes Weiß, von der Decke und fiel zu Boden. Ein Athyra hätte es wahrscheinlich als Zeichen genommen. Zum Glück bin ich kein Athyra.
    Leider sind Ostländer aber von jeher abergläubische Narren gewesen.
    »Boß? Varg und Temek.«
    »Schick sie rein.«
    Die beiden traten ein. »Pünktlich wie die Maurer, Boß!« meinte Temek. Varg glotzte mich bloß an.
    »Na dann«, sagte ich, »gehen wir.«
    Zu dritt verließen wir das Büro und gingen in den Laden. Ich war fast schon an der Tür, als –
    »Augenblick mal, Boß.« Diesen warnenden Tonfall kannte ich, also blieb ich stehen.
    »Was ist denn, Loiosh?«
    »Ich zuerst.«
    »Hm? Oh. Na gut.«
    Ich trat zur Seite. Gerade als ich Varg sagen wollte, daß er die Tür öffnen solle, kam er vor und tat es. Das merkte ich mir. Loiosh flog nach draußen.
    »Die Luft ist rein, Boß.«
    »Gut.«
    Ich nickte. Zuerst ging Varg nach draußen, dann ich, dann Temek. Wir bogen nach links und spazierten die Kupfergasse hinauf. Als mein Großvater mir das Fechten im Stil des Ostreiches beigebracht hatte, hatte er mich davor gewarnt, mich von Schatten ablenken zu lassen. Ich widersprach ihm: »Noish-pa, es gibt doch gar keine Schatten im Imperium. Der Himmel ist immer –«
    »Ich weiß, Vladimir, ich weiß. Laß dich nicht von Schatten ablenken. Konzentriere dich auf dein Ziel.«
    »Ja, Noish-pa.«
    Keine Ahnung, warum mir das ausgerechnet jetzt durch den Kopf ging.
    Wir kamen an den Malak-Kreisel und liefen rechts herum und dann den Unteren Weg des Kieron aufwärts. Ich befand mich auf feindlichem Gebiet. Sah genauso aus wie zu Hause.
    Der Stichelweg kam von Südwesten her in spitzem Winkel auf den Unteren Weg des Kieron. Gleich hinter der Einmündung stand auf der linken Seite ein flaches Steinhaus, das sich zwischen einen Flickschuster und ein Wirtshaus quetschte. Auf der anderen Straßenseite lag ein dreigeschossiges Haus, das in sechs Wohnungen unterteilt war.
    Das flache Haus stand etwa zehn Schritte von der Straße, und davor lag eine Terrasse mit vielleicht einem Dutzend kleiner Tische. Vier davon waren besetzt. Von denen ignorierten wir drei, weil Frauen oder Kinder an ihnen saßen. Am vierten, dem in der Nähe der Tür, saß ein Mann, gekleidet im Schwarz und Grau des Hauses Jhereg. Genausogut hätte er ein Schild mit der Aufschrift »Vollstrecker« hochhalten können.
    Wir merkten uns seinen Platz und gingen weiter. Varg ging zuerst hinein. Während wir anderen warteten, sah Temek sich offen um, wie ein Tourist, der sich den Imperialen Palast anschaut.
    Dann kam Varg wieder nach draußen und nickte. Loiosh flog hinein und kauerte sich hinten in eine unbesetzte Nische. »Sieht gut aus, Boß.«
    Also trat ich ein und blieb gleich auf der Schwelle stehen. Meine Augen sollten sich erst an das Dämmerlicht drinnen gewöhnen. Außerdem wollte ich mich umdrehen und schnurstracks zurück nach Hause zischen. Statt dessen atmete ich ein paarmal tief durch und ging hinein.
    Als derjenige, der die Einladung ausgesprochen hatte, war es an mir, den Tisch auszusuchen. Ich nahm einen an der Rückwand der Schenke und setzte mich so, daß ich den gesamten Raum überblicken konnte (dabei bemerkte ich noch ein paar mehr von Laris’ Männern), während Varg und Temek sich etwa fünf Meter entfernt niederließen. Von ihrem Tisch aus konnten sie meinen ohne Schwierigkeiten sehen, doch er lag rücksichtsvoll außer Hörweite.
    Genau zur Mittagszeit betrat ein Jhereg im mittleren Alter (sagen wir an die tausend Jahre) den Raum. Er war von mittlerer Größe und durchschnittlichem Körperbau. Sein Gesicht hatte keine besonderen Kennzeichen. An seiner Seite hing eine mittelschwere Klinge und ein bodenlanger Umhang. Es gab keine verräterischen Anzeichen eines Auftragsmörders. Ich konnte keine Ausbeulungen sehen, wo man gerne Waffen verbarg, seine Augen bewegten sich nicht so wie die eines Attentäters es tun würden, er bewegte sich nicht mit jener ständigen
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