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Xeelee 3: Ring

Xeelee 3: Ring

Titel: Xeelee 3: Ring
Autoren: Stephen Baxter
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neue Bretter in die Luft zu projizieren. Aber diese Bretter waren Abstraktionen – schlicht, farblos, wenig mehr als Skizzen. Sie ließ Hochgeschwindigkeits-Simulationen ablaufen und studierte die Ergebnisse. Sie experimentierte mit verschiedenen Schlangen-Leitern-Relationen und mit ihrer Plazierung. Phillida setzte sich zu ihr und führte sie in die Stochastik und die Spieltheorie ein – jeder Bereich ein Wunder für sich.
    Am fünfzehnten Tag wurde sie ihrer selbst überdrüssig und besuchte wieder die Schule. Sie betrachtete die Art, wie andere die Dinge rezipierten, als einen erfrischenden Kontrapunkt zu ihrem eigenen Hochgeschwindigkeits-Lernen.
    Die Welt schien sich um sie herum zu entfalten; es war eine Welt voller Sonnenlicht, endloser Informationsströme und stimulierender Menschen.
    Sie begann sich mit Nanobots zu beschäftigen. Sie erfuhr das Geheimnis der AntiSenescence, des Vorgangs, der den Menschen die relative Unsterblichkeit verlieh.
    Die Körperzellen waren darauf programmiert, Selbstmord zu begehen.
    Ohne externe Beeinflussung produzierte eine Zelle Enzyme, die ihre DNA in schöne Stücke tranchierten, und starb dann einfach ab. Der Suizid der Zellen stellte einen Schutz gegen unkontrolliertes Wachstum – Tumore – dar, sowie ein Werkzeug zur Formung des sich entwickelnden Körpers: in der Gebärmutter ließ das Absterben unbrauchbarer Zellen Finger und Zehen aus amorphen Gewebeknospen entstehen.
    Tod war der Grundzustand einer Zelle. Der Körper mußte chemische Signale aussenden, welche die Zellen anwiesen, am Leben zu bleiben. Es war ein ›Totmann-Schalter‹-Regelkreis: Wenn Zellen unkontrolliert zu wuchern begannen – oder wenn sie sich von ihrem jeweiligen Organ ablösten und durch den Körper wanderten –, würden die lebenserhaltenden chemischen Signale ausbleiben, und die Zelle müßte absterben.
    Die nanotechnische Manipulation dieses Prozesses machte die Unsterblichkeit möglich.
    Sie machte auch die Konstruktion einer Lieserl möglich.
    Lieserl nahm dieses Wissen in sich auf und kratzte sich geistesabwesend an den belebten, konstruierten Armen.

    Sie wollte die Bedeutung des Begriffes Suprahet in den Virtuellen Bibliotheken nachschlagen. Aber sie bekam keinen Zugang zu diesem Stichwort. Sie war zwar keine EDV-Expertin, vermutete jedoch, daß hier eine Lücke war.
    Die Informationen über Suprahet wurden ihr vorenthalten.

    Mit einem Klassenkameraden namens Matthew verließ sie das Anwesen und machte einen Ausflug – zum erstenmal ohne ihre Eltern. Sie flogen in einem Gleiter zu der Küste, an der sie als Kind gespielt hatte, vor zwölf Tagen. Sie fand die verfallene Pier, wo sie die Muscheln entdeckt hatte. Der Ort wirkte jetzt nicht mehr so lebendig – nicht mehr so magisch –, und mit nostalgischer Traurigkeit registrierte sie den Verlust ihrer frischen, kindlichen Sinne. Sie fragte sich, warum die Erwachsenen nie über diesen schrecklichen Wahrnehmungsverlust sprachen. Vielleicht vergaßen sie es einfach nur, überlegte sie sich.
    Aber dafür gab es einen Ausgleich.
    Ihr Körper war kräftig und geschmeidig, und das Sonnenlicht floß wie warmes Öl über ihre Haut. Sie lief umher und schwamm und genoß das Prickeln der ozongeschwängerten Luft in den Lungen. Sie und Matthew rangelten zum Spaß und jagten sich in die Brandung, wobei sich ihre Körper wie junge Affen ineinander verschlangen – wie Kinder, dachte sie, aber nicht mehr ganz so unschuldig.
    Als die Sonne unterging, wiesen sie den Gleiter an, sie nach Hause zu bringen. Sie verabredeten sich für den nächsten Tag, vielleicht um noch einen Ausflug zu unternehmen. Matthew küßte sie beim Abschied sanft auf die Lippen.
    In dieser Nacht konnte sie kaum schlafen. Sie lag in der Dunkelheit ihres Zimmers, den Salzgeruch noch in der Nase und das Bild Matthews vor Augen. Heißes Blut schien durch ihren Körper zu pulsieren, in seinem unaufhörlichen, stetigen Wachstum.
    Am nächsten Tag – dem sechzehnten – kam Lieserl schnell aus dem Bett. Noch nie zuvor hatte sie sich so lebendig gefühlt; ihre Haut glühte noch vom Salz und Sonnenlicht des Strandes, und es war eine heiße Spannung in ihr, ein Schmerz tief im Inneren, wie ein Knoten.
    Als sie den Gleiterstellplatz vor dem Haus erreichte, wartete Matthew schon auf sie. Er hatte ihr den Rücken zugewandt, und das Licht der aufgehenden Sonne ließ die Härchen am Halsansatz erglühen.
    Dann drehte er sich zu ihr um.
    Unsicher streckte er eine Hand nach ihr aus – und
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