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Wumbabas Vermaechtnis

Titel: Wumbabas Vermaechtnis
Autoren: Axel Hacke , Michael Sowa
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kennt nicht den Biber Butzelmann in den berühmten Versen »Es tanzt ein Biber Butzelmann, in unserm Kreis herum, fidebum«? Wer hat noch nicht das berühmte Weihnachtslied Kommet ihr Hirschen gehört? In dem es heißt: »Kommet, ihr Hirschen, ihr Männer und Fraun / Kommet, das liebliche Kindlein zu schaun.« Dessen Fortsetzung uns in Ihr Kinderlein kommet geboten wird, wo die Hirsche dann tatsächlich gekommen sind, sodass gesungen werden kann:
    »Da liegt es – ach Kinder! – auf Heu und auf Stroh;
    Maria und Joseph betrachten es froh;
    die redlichen Hirschen knien betend davor,
    hoch oben schwebt jubelnd der Engelein Chor.«
    Wer vernahm nie die vorhergehenden Zeilen?
    »Und seht, was in dieser hochheiligen Nacht
    der Kater in Windeln für Freude uns macht.«
    Wem ist das Känguru im berühmten Gebet unbekannt?
    »Müde bin ich, Känguru!
    Schließe beide Äuglein zu.«
    Man fragt sich hier nur: Wer ist Känguru? Ist es der Betende, also »ich, Känguru«? Oder wird zu Känguru gebetet, ist also Känguru der Gott – oder vielmehr Gott ein Känguru?
    Und dann noch, hier: das Lied vom verwöhnten Pferdchen.
    »Weit übers Land wird mein Pferdchen heut’ getragen.
    Und dann soll’s zum Lohne ein Zuckerstückchen haben.«
    Unglaublich, nicht wahr? Eigentlich soll es heißen: »Weit übers Land wird mein Pferdchen heute traben.« Aber das tut ja jedes Pferd. Hier jedoch sehen wir ein Pferdchen, weit übers Land getragen von Dienern, in einer Sänfte sitzend – und am Ziel ein Zuckerstückchen zerschnurpsend.
    Zwei Pferde noch, dann ist Schluss.
    Frau M. aus Jengen schreibt, ihr Nachbar habe ihr seine Version von Kristina Bachs Erst ein Cappuccino gebeichtet:
    »Erst ein Cappuccino,
    dann ein bisschen Vino,
    und dann ein Pferd wie du!«
    Ein rätselhafter Text. Wobei die wahren Worte noch eigenartiger sind: »Und dann sehr viel du!«
    Viel schöner ist, was Frau J. einfiel, als sie beim Hörgeräteakustiker den Weißen Neger Wumbaba liegen sah. Sie dachte an Roger Whittaker und sein Abschied ist ein scharfes Schwert , das sie so oft schon als Abschied ist ein schwarzes Pferd verstanden hatte, was ich persönlich vorziehen würde, denn ich stelle mir ein schwarzes Pferd vor, das aus seiner Sänfte zum Abschied winkt, bevor es wieder weit übers Land getragen wird, neuen Zuckerstückchen entgegen.
    Ein einziges Beispiel kenne ich übrigens, in dem jemand im Lied vorhandene Tiere nicht hörte, das war Leserin P. aus Berlin, die mir vom Song Kleine Seen von Purple Schulz berichtete. Es heißt dort:
    »Vor ’nem halben Jahr kamst du durch diese Tür,
    und auf einmal war es da: das zärtliche Gefühl.
    Eine Ameisenarmee rannte über meine Haut,
    deine Gesten und dein Lachen war’n mir irgendwie vertraut.«
    Frau P. aber hört nicht »Ameisenarmee«, sondern »eine Anasynamie rannte über meine Haut«, wobei sie sich eine Art Krankheit vorstellte, »so was wie eine schwere Hautverbrennung«. Aber passt das wirklich zu »rannte über meine Haut«? Könnte »Anasynamie« nicht vielmehr der medizinische Fachbegriff für »Gänsehaut« sein? Das würde schön zu diesem Text passen, und außerdem hätten wir dann wieder Tiere im Text, nur eben Gänse statt Ameisen, ist eh besser.
Alle, die mit uns auf Körperfahrt fahren: Das Weltbild schlecht hörender Kinder
    Dass Kinder sich verhört haben, merkt man erst, wenn sie selbst etwas sagen. Oder singen. Dann zeigt sich dem Außenstehenden, dass bei ihnen etwas anderes angekommen ist als abgeschickt wurde.
    Beginnen wir mit dem populärsten Beispiel, jenen vielen Kindern, die bei Geburtstagen aller Art das schöne Lied Heb’ die Bürste, juchhu! zum Besten geben, wenn Happy Birthday to you gemeint war. Wobei man sich fragt, was die Lieben sich für Gratulationsriten vorstellen: dass man zur Ehrung des Jubilars eine mitgebrachte Bürste in die Luft hebt oder dass vielmehr der Geehrte eine solche heben muss, das hat surreale Kraft, ebenso wie übrigens in späteren Jahren das von Curd (nicht: Udo) Jürgens mehr gebrummte oder gemurmelte als gesungene Chanson Sechzig Jahre und kein bisschen weise , in dem der Alte vorträgt (jedenfalls hört es sich so an):
    »Sechzig Jahre und kein bisschen weise,
    aus gehabtem Schaden nichts gelernt.
    Sechzig Jahre auf dem Weg zum Kreise,
    und doch sechzig Jahr' entfernt.«
    Wie ist das möglich: sechzig Jahre auf dem Weg zum Kreise? Zu welchem Kreise? Und warum nicht zum Quadrate? Ein Kreis als Lebensziel? Der sechzig Jahre alte Mensch, vom
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