Wumbabas Vermaechtnis

lying.«
    Und später:
    »Barnabas is lonely
    Barnabas is only
    Waiting for a call.«
    Barnabas weint? Das mag noch verständlich sein, wenn man ihn vielleicht für einen frühen christlichen Märtyrer hält, der wegen erlittener Schmerzen und Pein geweint haben könnte. Aber Barnabas lügt? Barnabas wartet auf einen Anruf?
    In Wahrheit gehörte Barnabas zum erweiterten Kreis der JüngerJesu, er führte Paulus bei den Aposteln ein, begleitete ihn auf dessen erster Missionsreise und trennte sich später von ihm. Über seinen Tod ist nichts bekannt. Sein Name ist vielleicht aramäischen Ursprungs und bedeutet »Sohn des Trostes«, was sein Weinen und Lügen noch unverständlicher macht, auch seine Einsamkeit und sein Warten auf einen Anruf. Aber Barnabas weint und lügt ja gar nicht, er ist auch nicht allein und wartet auf Telefonate, denn in Wahrheit lauten die Zeilen:
    »One of us is crying
    One of us is lying…«
    Das ganze Lied handelt von einer Frau, die ihren Geliebten verstoßen und verlassen hat und ihm jetzt vorheult, wie sie ihn vermisse, »in her lonely bed / staring at the ceiling / wishing she was somewhere else instead«, allein im Bett, an die Decke starrend, wünschend, woanders zu sein. Ich fasse zusammen: Über einen sehr langen Zeitraum habe ich ein Lied über eine einsame, weinende, lügende, auf Anrufe wartende Frau gehört. Und nicht ein einziges Mal habe ich mich gewundert, dass diese Frau den Männernamen Barnabas trug. Was für eine wundersame Welt! Fast schade, dass ich es jetzt besser weiß.

    C HRIS , DER R ITTER . Das Ehepaar K. erzählt von seinem achtjährigen Sohn, der schon früh an Weihnachten bei Stille Nacht einstimmte und mitsang. Nichts fiel den Eltern auf, bis der Sohn sich erkundigte, was genau eigentlich »der Ritter Chris« mit Weihnachten zu tun habe. Da merkten sie, was er verstanden hatte:
    »Stille Nacht! Heilige Nacht!
    Hirten erst kundgemacht
    Durch der Engel Halleluja.
    Tönt es laut von fern und nah:
    Chris, der Ritter, ist da! Chris, der Ritter, ist da!«

    E RICH S CHADE . Aus Muggensturm schrieb mir Herr H., die Deutschlehrerin habe ihm und seinen Mitschülern 1948 oder 1949, als es Schulbücher in ausreichender Zahl nicht gab und Kopierer nicht existierten, Nikolaus Lenaus Gedicht Der Postillion diktiert, das so beginnt:
    »Lieblich war die Maiennacht,
    Silberwölklein flogen,
    Ob der holden Frühlingspracht
    Freudig hingezogen.«
    Es folgen fünfzehn jeweils vierzeilige Strophen, die von der Fahrt des Postillons mit seiner Kutsche handeln, die an einem Kreuz vorbeiführt. H. und seine Klassenkameraden mussten das Gedicht auswendig lernen, ein Mitschüler wurde aufgerufen, es vorzutragen. Er deklamierte fehlerfrei und gelangte an die Stelle, wo der Postillon an eben dem erwähnten Kreuz ruft:
    »Halten muß hier Roß und Rad!
    Mag’s Euch nicht gefährden;
    Drüben liegt mein Kamerad
    In der kühlen Erden!«
    Der Schüler deklamierte weiter:
    »Ein gar herzlieber Gesell!
    Herr, ’s ist Erich Schade!«
    Hier brach nun ein Freudensturm in der Klasse aus, in den auch die Lehrerin einstimmte, heißt es doch im Originaltext:
    »Herr, ’s ist ewig schade!«
    Aber ist es nicht wunderbar, wie dem bis dahin ganz unbekanntenErich Schade zur Geburt verholfen wurde? »Keiner blies das Horn so hell«, heißt es bei Lenau weiter, aber das hörte niemand mehr, es ging im Gelächter unter, und der Schüler hieß ab sofort in der Klasse nur »Erich«, was er, so H., »mit großer Gelassenheit ertrug«.

    L ADISLAV B ONITA . La Isla Bonita heißt ein berühmtes Lied von Madonna, in dem Leser P. verstand:
    »Tropical the island breeze
    All of nature wild and free
    This is where I long to be
    Ladislav Bonita.«
    Seltsam fand P. immer, wie plötzlich dieser Ladislav auftauchte, »eventuell ein slowakisch-spanischer Superlover, dessen feurige Ausstrahlung die Sängerin in ihren Bann zog«?

    L ARRY B. Sie kennen Larry B. nicht? Den großen, weisen Larry B.? Sollten Sie aber. Man kann ihm überall begegnen, wo alte Beatles-Songs gespielt werden. Herrn H. aus Passau ist Larry B. mal auf der Erlanger Bergkirchweih begegnet, wo Let it be gespielt wurde und H.s Banknachbar sehr laut sang: »Larry B., Larry Beee-eee, Larry B., Larry B., speaking words of wisdom, Larry B., Larry B.«

    M UTTER T ALKING . Modern Talking, bestehend aus Dieter Bohlen und Thomas Anders, waren in der DDR sehr populär, wo Frau F. aus Werdau ihre Kinder erzog. Eine der Töchter war ein Fan der Gruppe. Als sie ein