Würfelwelt (German Edition)
noch schnurgerade war. Diesmal macht er einen Knick nach rechts. Ich wundere mich nicht mehr, dass auch an der nächsten Kreuzung ein Brot auf mich wartet. Mein Unterbewusstsein spielt unfair!
Ich sammele das Brot auf. So komme ich nicht weiter.
Ich sehe mir einen der Blöcke, aus denen die Gänge gemauert sind, aus der Nähe an. Seine Oberfläche ist glatt und mit kleinen Quadraten in verschiedenen dunklen Grautönen bemalt – einzelne Grafikpixel, genau wie in dem Computerspiel. Ich vergleiche verschiedene Blöcke, kann jedoch keinen Unterschied feststellen.
Ich lausche, in der Hoffnung, das ferne Piepen der medizinischen Apparate neben meinem Bett wahrzunehmen, höre jedoch nicht einmal das Geräusch meines Atems.
„Hallo?“, rufe ich. Meine Stimme klingt trocken und kraftlos, als verschluckten die Wände jedes Echo.
Allmählich wird mir mulmig. Wie soll ich hier jemals rausfinden?
Ich wende mich nach links, in einen Gang, der in einigen Blöcken Entfernung nach rechts abknickt.
Nach ein paar Schritten bleibe ich stehen. Warum bin ich nach links gegangen? Warum nicht geradeaus oder nach rechts? War meine Wahl rein zufällig?
Ich kehre zurück zur Kreuzung und bleibe einen Moment stehen. Um mich abzulenken, denke ich an Amelie. Mir wird klar, dass ich sie noch nie habe lächeln oder gar lachen sehen. Was würde ich darum geben, ein bisschen Freude in ihr Gesicht malen zu können!
Ich seufze, dann setze ich mich in Bewegung. Ohne darüber nachzudenken, folge ich demselben Gang wie letztes Mal.
Nach ein paar Schritten halte ich an. Da stimmt doch was nicht!
Ich kehre zur Kreuzung zurück und betrachte die vier Gänge. Der, aus dem ich gerade komme, fühlt sich irgendwie richtig an. Nein, nicht richtig. Eher sicher.
Je länger ich darüber nachdenke, desto stärker wird das Gefühl: Der Gang, aus dem ich komme, ist die beste Wahl. Aus den anderen Richtungen lauert Gefahr. Unbewusst habe ich diese Gefahr vermieden. Ich bin den Weg des geringsten Widerstands gegangen.
Ich betrachte die anderen Gänge, versuche, zu erspüren, welche unangenehmen Überraschungen sie für mich bereithalten. Der Gang geradeaus wirkt am bedrohlichsten.
Ich nehme meinen Mut zusammen und gehe in diese Richtung.
Wieder gelange ich an eine Kreuzung. Diesmal spüre ich ganz deutlich, dass der Weg, durch den ich gekommen bin, der sicherste ist. Mein Instinkt drängt mich, umzukehren und nach einem besseren Weg zu suchen.
Die Wege links und geradeaus wirken bedrohlich. Der Gang rechts macht mir Angst.
Ich gehe nach rechts.
Hinter einem Linksknick treffe ich unvermittelt auf ein Witherskelett. Ehe ich reagieren kann, verpasst es mir einen Hieb. Ein starker Stromschlag durchfährt mich, während es Lebensenergie aus mir heraussaugt.
Der Drang, zu fliehen, ist übermächtig. Diese verdammten Witherskelette sind einfach zu starke Gegner!
Ich reiße mich zusammen, zücke mein Schwert und dresche auf den Knochenmann ein.
Der Kampf wogt hin und her. Meine Furcht scheint meine Bewegungen zu lähmen, so als hätte ich eine Überdosis Schlaftabletten genommen. Immer wieder verpasst mir das Skelett Hiebe, mit denen es den Schaden heilt, den ich ihm gerade zugefügt habe. Mein Vorrat an Heiltränken geht allmählich zur Neige.
Mir wird klar, dass ich das Witherskelett nicht besiegen kann. Es wird mich vernichten, und dann ist alles verloren. Besser, ich gebe auf und fliehe, bevor es zu spät ist!
„Nein!“, rufe ich laut zu mir selbst. „Denk an Amelie, verdammt!“
Der Gedanke gibt mir Kraft. Meine Bewegungen werden zielsicherer. In einer schnellen Schlagkombination lande ich drei Treffer. Das Witherskelett fällt in sich zusammen. Nur der würfelförmige Kopf bleibt zurück.
Ich sammele ihn ein und setze meinen Weg durch das Labyrinth fort.
An der nächsten Kreuzung ist es der Gang nach links, der mir am meisten Angst macht. Ich starre ihn lange an. Diesmal werde ich nicht nur ein einzelnes Witherskelett zum Gegner haben. Besser, ich versuche es erst mal mit einem der anderen Gänge. Die wirken immerhin auch ganz schön bedrohlich.
Nein! Meine Angst weist mir den Weg. Es ist, als müsste ich gegen eine starke Strömung schwimmen, um das Ufer eines Sees zu erreichen.
Ich brauche lange, bis ich mich überwinden kann, den linken Gang zu betreten. Ich muss mich zu jedem einzelnen Schritt zwingen. Immer wieder bleibe ich stehen, ringe den Drang nieder, umzukehren. Noch ist es nicht zu spät, schreit meine Angst. Noch kannst du
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