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Würde - Roman

Titel: Würde - Roman
Autoren: PeP eBooks
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schnaubenden Mann und wandte sich an Richard. »Mr Calloway, ich möchte Ihren Mandanten nicht sehen«, wies sie ihn zurecht. »Um genau zu sein - eigentlich möchte ich auch Sie nicht sehen. Doch da Sie mich um einen Termin gebeten haben, werde ich Ihnen den Gefallen tun und mir anhören, was Sie mir zu sagen haben. Aber ich habe nicht viel Zeit, ja?«
    Du Toit hatte kurz geschnittenes Haar mit Strähnen vor den Ohren. Sie trug fast keinen Schmuck und war unauffällig in unifarbenen Hosen und locker sitzenden Blazern gekleidet. Ihr Gesicht war schmal und spitz, und ihre Stimme klang schrill und raspelnd. Dennoch wirkte ihre Körpersprache auffallend selbstbewusst. Ihre Gegenwart machte Richard stets ein wenig nervös. Oft kam er sich wie ein gescholtenes Kind vor, obwohl sie in Wahrheit genauso alt war wie er. Um nicht unsicher zu wirken, rief er sich die Tatsache ins Gedächtnis, dass er ihre juristischen Angriffe wiederholt erfolgreich abgewehrt hatte. Doch mit jeder neuen Herausforderung, jedem neuen Fall, wurde das unangenehme Gefühl stärker, dass ihre hartnäckige Verfolgung seines Mandanten eines Tages doch noch Früchte tragen würde.
    Dieses Mal lautete die Anklage auf fahrlässige Tötung. Angeblich hatte Svritsky kurz nach Neujahr hinter dem Steuer eines Ford V8 Coupés gesessen und einen jungen Mann beim Überqueren einer fast menschenleeren Straße in der Nähe des Stadtzentrums überfahren und getötet. Die Staatsanwaltschaft behauptete, der Russe habe angehalten und sei ausgestiegen. Nachdem er festgestellt habe, dass der Mann tot war, sei er vom Unfallort geflohen. Die Sachlage wurde noch durch die Tatsache verschlimmert, dass der Unfall weder der Polizei gemeldet noch ein Krankenwagen gerufen worden war. Stattdessen sei Svritsky - so die
Staatsanwaltschaft - am Morgen nach dem Unfall zur Polizei gegangen und habe den Wagen dort als gestohlen gemeldet.
    Die Anklage war ungewöhnlich. Sie hatte nichts mit den üblichen geschäftlichen Machenschaften seines Mandanten zu tun, weshalb der Russe das Ganze auch nicht ernst zu nehmen schien. Doch Richard war auf der Hut. Gerade weil es sich um fahrlässige Tötung und nicht um vorsätzlichen Mord handelte, konnte es sich als ein schwieriger und damit gefährlicher Fall herausstellen.
    »Cerissa«, sagte er jetzt und zwang sich dazu, herzlich zu klingen. »Ich weiß, dass bereits Februar ist, aber ich möchte dennoch nicht versäumen, Ihnen noch ein gutes neues Jahr zu wünschen. Hoffen wir, dass es für uns alle glücklich verläuft.«
    »Mr Calloway, versuchen Sie es bloß nicht auf diese Tour. Wir wissen beide nur allzu genau, dass ein gutes Jahr für mich nur ein schlechtes für Sie und Ihren Mandanten bedeuten kann. Also bitte keine Schmeicheleien. Ihr Mandant soll draußen warten, und Sie können mit mir in mein Büro kommen - auch wenn ich mir beim besten Willen nicht vorstellen kann, was Sie damit erreichen wollen.« Sie drehte sich auf dem Absatz um und eilte in ihr Zimmer. Die Tür ließ sie offen stehen, damit Richard ihr folgen konnte.
    »Ein wenig empfindlich heute, die Gute«, meinte er leichthin.
    Der Russe kochte vor Zorn. »Ich werde ihr das Herz ausreißen und es ihr unter die hässliche Nase halten. Diese Schlampe!«
    Richard zuckte zusammen. Svritsky spannte den Kiefer so stark an, dass er bebte. Auch die Tätowierung auf seinem Arm fing zu zittern an. Die Schlange und die nackte Frau schienen lasziv miteinander zu tanzen.
    »Beruhigen Sie sich, Stefan. Sie markiert nur die Harte. Das ist ihr Job. Vielleicht war es doch keine so gute Idee, Sie heute mitzunehmen. Lassen Sie mich mit ihr reden, und wir treffen
uns dann draußen. Rauchen Sie eine Zigarette. Ich berichte Ihnen, was sie gesagt hat.«
    Svritsky würdigte ihn keines Blickes, gab aber nach. Mit großen Schritten ging er den Korridor entlang zur Treppe. Seine Tennisschuhe quietschten auf dem gebohnerten Boden, und er murmelte etwas vor sich hin. Richard blickte dem breiten Rücken seines Mandanten mit einer Mischung aus Abscheu und Furcht hinterher. Dann betrat er das Büro.
    Du Toits Arbeitsplatz war bis oben hin vollgestellt. Sie saß hinter ihrem zerkratzten Schreibtisch und zog gerade einen Packen Unterlagen aus einem braunen Umschlag. Richard war schon oft hier gewesen, aber trotzdem überraschte es ihn immer wieder, wie karg und ärmlich das Büro der Leiterin der Generalstaatsanwaltschaft ausgestattet war. Akten und Urteilsregister stapelten sich auf Schreibtisch und
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