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Wozu wollen Sie das wissen?

Wozu wollen Sie das wissen?

Titel: Wozu wollen Sie das wissen?
Autoren: Alice Munro
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ist die Kirche von Streitigkeiten zerspalten, und die Gottesmänner gehen sich häufig gegenseitig an die Gurgel, wie Bostons eigene Schwierigkeiten gezeigt haben. Und der Makel, ein
Mark
-Mann zu sein, den eigenen, unvermeidlichen Gedankengängen zu folgen, mag es auch gewesen sein, der ihn so lange im abgelegenen Ettrick festhielt, seine »Transferierung« (wie es damals hieß) an einen halbwegs behaglichen Ort verhinderte.
    James Hogg und James Laidlaw
    Er war allezeit ein eigentümlicher und hoch amüsanter Bursche, hielt fest an jeder überholten und unhaltbaren Vorstellung in Naturwissenschaft, Religion und Politik … Nichts erregte seinen Unwillen stärker als die Theorie, die Erde drehe sich um ihre Achse und kreise um die Sonne …
    … während etlicher, längst vergangener Jahre redete und las er so lange über Amerika, bis er todunglücklich wurde, und als er sich seinem sechzigsten Lebensjahre näherte, machte er sich schließlich auf den Weg, um in der neuen Welt für kurze Frist ein Heim und dann ein Grab zu finden.
    Schrieb James Hogg über seinen Vetter James Laidlaw.
    Hogg, der Ärmste, hat fast sein ganzes Leben lang haarsträubende Lügen verbreitet …
    Schrieb James Laidlaw über seinen Vetter James Hogg, einen schottischen Dichter und Romancier zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts.
    Er war ein bannig [sehr] gescheiter Mann, trotz all dem Unsinn, den er verzapft hat …
    Sagte Tibbie Shiel, ein Schankwirt, der auch auf dem Kirchhof von Ettrick begraben liegt, über James Hogg.
    James Hogg und James Laidlaw waren Vettern ersten Grades. Beide wurden im Ettrick Valley geboren und wuchsen auch dort auf, an einem Ort, der für Männer ihres Schlages keinerlei Verwendung hatte – für Männer nämlich, die sich nicht in die Anonymität eines unauffälligen Lebens fügen wollen.
    Wenn solch ein Mann berühmt wird, ist das natürlich etwas anderes. Als Lebender wird er davongejagt, als Toter ist er daheim wieder willkommen. Und ein oder zwei Generationen später ist er noch etwas anderes.
    Hogg gelang die Flucht nach Edinburgh mit Hilfe der unbequemen Rolle des naiven Spaßvogels, des genialen Bauerntölpels, und dann gelang ihm, als Autor der
Geständnisse eines gerechtfertigten Sünders
, die Flucht in bleibenden Ruhm. Laidlaw, der zwar nicht mit den Gaben seines Vetters gesegnet war, aber offenbar auch mit dessen Hang zur Selbstinszenierung und dessen Drang zu anderen Bühnen als der Schenke von Tabbie Shiel, machte von sich reden, weil er die fügsameren Mitglieder seiner Familie dazu verdonnerte, ihn nach Amerika – genauer, nach Kanada – zu begleiten, als er bereits alt genug war, wie Hogg andeutet, um mit einem Fuß im Grabe zu stehen.
    Jede Form von Selbstinszenierung war in meiner Familie verpönt. Obwohl, wenn ich jetzt darüber nachdenke, niemand dieses Wort dafür benutzte. Sie sprachen davon,
Aufmerksamkeit zu erregen. Die Aufmerksamkeit auf sich selbst zu lenken
. Das Gegenteil davon war nicht unbedingt Bescheidenheit, sondern eine mühsame Wahrung der Würde und der Beherrschung, eine Art von Verweigerung. Die Verweigerung des Bedürfnisses, das eigene Leben in Anekdoten zu verwandeln, sei es für sich selbst oder für andere. Und wenn ich die Menschen aus meiner Familie betrachte, von denen ich weiß, so will mir scheinen, dass durchaus einige von uns dieses Bedürfnis in starkem und unwiderstehlichem Maße besitzen – was wiederum die Übrigen veranlasst, vor Verlegenheit und bösen Vorahnungen zusammenzuzucken. Darum musste die Warnung oder das Verbot so oft ausgesprochen werden.
     
    Zu der Zeit, als seine Enkelsöhne – James Hogg und James Laidlaw – das Mannesalter erreicht hatten, war die Welt des Will O’Phaup bereits nahezu verschwunden. Es gab ein historisches Bewusstsein dieser jüngsten Vergangenheit, sogar ihre in Ehren haltende Auswertung, was nur möglich ist, wenn die Menschen sich ihr deutlich fern fühlen. James Hogg hatte offenkundig dieses Gefühl, auch wenn er ganz und gar ein Mann von Ettrick war. Hauptsächlich seinen Schriften habe ich das zu verdanken, was ich über Will O’Phaup weiß. Hogg war sowohl ein Angehöriger dieser Welt als auch ein Außenstehender, der die Geschichten seiner Landsleute mit Fleiß und – so hoffte er – mit Gewinn aufzeichnete und gestaltete. Und er hatte eine vorzügliche Quelle in seiner Mutter – Will O’Phaups ältester Tochter Margaret Laidlaw, die in Far-Hope aufgewachsen war. Hogg wird das Material
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