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Wozu wollen Sie das wissen?

Wozu wollen Sie das wissen?

Titel: Wozu wollen Sie das wissen?
Autoren: Alice Munro
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Hühner und Puten und Schweine, gehalten auf die moderne und möglichst viel Gewinn abwerfende Art.
    Die Vernichtung von so vielen Zäunen, von Obstgärten und Häusern und Scheunen und Ställen hat meinem Eindruck nach bewirkt, dass die Landschaft kleiner aussieht und nicht größer – so wie der Grund und Boden, den ein Haus einmal eingenommen hat, erstaunlich klein aussieht, wenn man nur noch den Grundriss vor sich hat. All diese Pfosten und Drähte und Windschutzhecken, die Reihen Schatten spendender Bäume, die verschiedenen Nutzungen der Felder, die unterschiedliche Bebauung mit Wohnhäusern und Ställen und Nebengebäuden etwa jede Viertelmeile – all diese Vorkehrungen von Menschen für ein Leben, geführt in aller Öffentlichkeit und aller Heimlichkeit. Sie machten jede Zaunecke und jede Bachwindung unverwechselbar.
    Als ob man damals mehr sehen konnte, obwohl man heute weiter sehen kann.
    Im Sommer des Jahres 2004 besuchte ich Joliet und suchte nach einer Spur des Lebens von William Laidlaw, meinem Ururgroßvater, der dort gestorben war. Wir fuhren von Ontario durch Michigan auf dem, was einst die Chicago-Mautstraße war und davor der Weg, den La Salle sowie viele Generationen der Ersten Nationen, also der indianischen Ureinwohner, nahmen, und jetzt der Highway 12 ist, und kamen dabei durch die alten Städtchen Coldwater und Sturgis und White Pigeon. Die Eichen waren prachtvoll. Weißeichen, Roteichen, Großfruchteichen, deren Äste sich über den Straßen der Städte und einem Teil der Feldwege wölbten. Auch große Walnussbäume und natürlich Ahornbäume, all die Üppigkeit der Carolina-Zone, die mir nicht ganz so vertraut ist, da sie sich südlich von der Region erstreckt, die ich kenne. Giftsumach wächst hier drei Fuß hoch, statt einen Teppich auf dem Waldboden zu bilden, und Ranken scheinen jeden Baumstamm zu umschlingen, sodass man nicht in die Wälder entlang der Straße hineinschauen kann – überall hängen Zöpfe und Vorhänge aus Grün.
    Wir hörten Musik vom National Public Radio, und dann, als dessen Empfang schwächer wurde, lauschten wir einem Prediger, der Fragen zu Dämonen beantwortete. Dämonen können von Tieren Besitz ergreifen, ebenso von Häusern und Naturerscheinungen und Menschen. Manchmal von ganzen Gemeinden und Glaubensgemeinschaften. Auf der Welt wimmelt es von ihnen, und nun erweisen sich die Prophezeihungen als wahr, dass sie sich nämlich in den Letzten Tagen stark vermehren werden. Denn sie sind über uns gekommen.
    Überall Fahnen, Schilder. Gott segne Amerika.
    Dann die Schnellstraßen südlich von Chicago, Baustellen, unerwartete Mautschalter, das Restaurant, das auf einer Überführung gebaut worden ist und jetzt leer steht und dunkel ist, ein Wunderwerk vergangener Tage. Und Joliet ist von neuen Vorstadthäusern umringt, wie jede Stadt heutzutage, hektarweit Häuser, meilenweit Häuser, in Reihen oder alleinstehend, alle gleich. Aber selbst die, finde ich, sind der prächtigeren Sorte neuer Häuser vorzuziehen, die auch hier stehen – auf größeren Grundstücken, nicht völlig gleich, aber alle ähnlich, mit geräumigen Garagen und Fenstern, hoch genug für eine Kathedrale.
     
    Keine Aufzeichnungen von Todesfällen in Joliet vor 1843 . Kein Laidlaw zu finden auf der frühesten Liste der Siedler oder der auf den ersten Friedhöfen Begrabenen. Was für eine ausgemachte Torheit von mir, einen solchen Ort aufzusuchen – einen Ort also, der im Laufe des letzten Jahrhunderts zu Wohlstand gelangt oder sogar gewachsen ist, in der Hoffnung, Reste davon zu finden, wie es hier vor über einhundertfünfzig Jahren war. Ein Grab, eine Erinnerung zu finden. Nur eine Eintragung erregt meine Aufmerksamkeit.
    Unbekannter Friedhof
.
    In einer bestimmten Ecke vom Landkreis Homer ein Totenacker, auf dem sich nur noch zwei Grabsteine fanden, aber es sollen einst, so heißt es, mindestens zwanzig gewesen sein. Die verbliebenen beiden Steine tragen laut der Listen Namen von im Jahr 1837 Verstorbenen. Es wird vermutet, dass einige der anderen für Soldaten errichtet worden sein könnten, die im Krieg gegen den Schwarzen Falken 1831 – 32 fielen.
    Das bedeutet, dass es schon einen Friedhof gab, als Will starb.
    Wir fahren dorthin, zur Ecke 143 . und Parker. An der nordwestlichen Ecke ist ein Golfplatz, an den nordöstlichen und südöstlichen Ecken stehen neue Häuser mit großzügig angelegten Gärten. An der südwestlichen Ecke stehen auch ziemlich neue Häuser, aber mit dem
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