Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wozu wollen Sie das wissen?

Wozu wollen Sie das wissen?

Titel: Wozu wollen Sie das wissen?
Autoren: Alice Munro
Vom Netzwerk:
kleineren in der Ecke des Friedhofs zu Grabe gelegt. Aus der ursprünglichen Familiengrabstätte wurde ein öffentlicher Friedhof, dessen Name von Mannerow in Cedardale geändert wurde.
    Die Grabgewölbe wurden innen mit Zement ausgekleidet.
    Rachels Mutter sagt, dass es im Landkreis heute nur noch einen Nachkommen der Familie gibt. Er lebt in Scone.
    »Gleich neben dem Haus von meinem Bruder«, sagt sie. »Wissen Sie, dass es in Scone nur drei Häuser gibt? Mehr nicht. Das Haus aus gelben Ziegeln, das gehört meinem Bruder, dann das in der Mitte, das gehört den Mannerows. Vielleicht können die Ihnen mehr sagen, wenn Sie hinfahren und sie fragen.«
     
    Während ich mit Rachels Mutter redete und in das Geschichtsbuch schaute, saß mein Mann am Tisch und unterhielt sich mit ihrem Ehemann. Das ist das korrekte Verhalten in unserem Teil des Landes. Der Ehemann erkundigte sich, woher wir kamen, und als er erfuhr, dass wir aus Huron County kamen, sagte er, das kenne er sehr gut. Gleich vom Schiff runter sei er dorthin gegangen, sagte er, als er aus Holland kam, nicht lange nach dem Krieg. Im Jahre 1948 , ja. (Er ist wesentlich älter als seine Frau.) Er lebte eine ganze Weile nicht weit von Blyth, und er arbeitete auf einem Putenhof.
    Ich höre mit an, was er sagt, und als mein eigenes Gespräch zu Ende ist, frage ich ihn, ob es der Wallace-Putenhof war, auf dem er gearbeitet hat.
    Ja, sagt er, genau der. Und seine Schwester heiratete Alvin Wallace.
    »Corrie Wallace«, sage ich.
    »Stimmt. Das ist sie.«
    Ich frage ihn, ob er in der Gegend irgendwelche Laidlaws kannte, und er sagt nein.
    Ich sage, wenn er bei Wallaces gearbeitet hat (eine weitere Regel in unserem Teil des Landes besagt, dass man nie
die
Soundsos sagt, sondern nur den Familiennamen nennt), dann muss er Bob Laidlaw gekannt haben.
    »Er hat auch Puten gezüchtet«, sage ich. »Und er kannte Wallaces seit der gemeinsamen Schulzeit. Manchmal hat er für sie gearbeitet.«
    »Bob Laidlaw?«, sagt er mit aufsteigendem Tonfall. »Natürlich kannte ich den. Aber ich dachte, Sie meinten, in der Umgebung von Blyth. Er hatte eine Farm gar nicht weit von Wingham. Westlich von Wingham, Bob Laidlaw.«
    Ich sage, Bob Laidlaw sei in der Nähe von Blyth aufgewachsen, im Achten Bezirk des Landkreises von Morris, und deshalb kannte er die Wallace-Brüder. Alvins Vater und Onkel. Sie gingen alle zusammen in S. S. Nr.  1 , Morris, zur Schule, gleich neben der Wallace-Farm.
    Er nimmt mich in Augenschein und lacht.
    »Sie wollen mir doch nicht etwa sagen, dass er Ihr Vater war? Sie sind doch nicht etwa Sheila?«
    »Sheila ist meine Schwester. Ich bin die Ältere.«
    »Ich wusste nicht, dass es noch eine Ältere gab«, sagt er. »Das wusste ich nicht. Aber Bill und Sheila. Die kannte ich. Die haben immer vor Weihnachten bei uns auf dem Putenhof gearbeitet. Sie waren nie da?«
    »Ich war zu der Zeit schon von zu Hause fort.«
    »Bob Laidlaw. Also Bob Laidlaw war Ihr Vater. Das hätte ich gleich merken müssen. Aber als Sie sagten, aus der Gegend von Blyth, habe ich nicht geschaltet. Ich dachte, Bob Laidlaw kam aus Wingham. Ich hatte keine Ahnung, dass er eigentlich aus Blyth kam.«
    Er lacht und reicht über den Tisch, um mir die Hand zu schütteln.
    »Also so was. Jetzt sehe ich es. Bob Laidlaws Tochter. Um die Augen herum. Das ist lange her. Sehr lange her.«
    Ich bin mir nicht sicher, ob er meint, es ist lange her, dass mein Vater und die Wallace-Jungen im Landkreis Morris zur Schule gingen, oder es ist lange her, seit er selbst ein junger Mann neu aus Holland war und mit meinem Vater, meinem Bruder und meiner Schwester zusammen die Weihnachtsputen fertig machte. Aber ich pflichte ihm bei, und dann sagen wir beide, dass die Welt klein ist. Wir sagen das, wie die Leute es für gewöhnlich tun, aus einem Gefühl der Verwunderung und der Erquickung. (Menschen, denen diese Entdeckung kein Trost ist, vermeiden es für gewöhnlich, diese Feststellung zu äußern.) Wir erkunden diese Verbindung, so weit sie reicht, und kommen bald zu der Erkenntnis, dass nicht viel mehr herauszuholen ist. Aber wir sind beide glücklich. Er ist glücklich, an sich als jungen Mann erinnert zu werden, neu im Land und fähig, jede angebotene Arbeit zu tun, mit Vertrauen in das, was vor ihm lag. Und angesichts dieses gut gebauten Hauses mit seiner weiten Aussicht und seiner lebhaften Frau, seiner hübschen Rachel sowie seines eigenen immer noch wachen und nützlichen Körpers sieht es so aus, als sei
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher