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WoW 02 - Der letzte Wächter

WoW 02 - Der letzte Wächter

Titel: WoW 02 - Der letzte Wächter
Autoren: Jeff Grubb
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Gradskala in irgendeinem längst vergessenen Wutanfall von starker Hand verbogen worden war. Jetzt war das Gerät nur noch ein Klumpen Gold, schwer und tot.
    Plötzlich gab es eine weitere Bewegung in der Kammer, und der Eindringling blickte auf. Jetzt stand eine geisterhafte Gestalt neben einem der vielen Fenster, das Phantom eines breitschultrigen, bärtigen Mannes, dessen einst dunkles Haar an den Rändern vorzeitig ergraut war. Es war eine der Scherben der Vergangenheit. Von ihrem Platz genommen, wiederholte sie ihre Aufgabe immer und immer wieder. Egal ob sie einen Betrachter hatte oder nicht.
    Gerade hob der dunkelhaarige Mann das Astrolabium, den noch heilen Zwilling jenes Instruments, das der Eindringling in Händen hielt, und justierte es an einem kleinen Knopf an der Seite. Ein Moment, ein prüfender Blick, eine weitere Drehung des Knopfes … und dunkle Brauen furchten sich über geisterhaften, grünen Augen. Noch ein Moment, noch ein prüfender Blick, noch ein Drehen des Knopfes … Schließlich seufzte die große, beeindruckende Gestalt und stellte das Astrolabium auf einen Tisch, der schon lange nicht mehr existierte. Dann verschwand sie.
    Der Eindringling nickte. Solcher Spuk hatte Karazhan schon früher heimgesucht, damals, als der Turm noch bewohnt war. Aber jetzt, aus der Kontrolle (und dem Wahnsinn) ihres Meisters entlassen, waren die Phantome dreist geworden. Nichtsdestotrotz gehörten diese Trümmer der Vergangenheit hierher – im Gegensatz zu ihm. Er war der Störenfried, nicht sie.
    Der Eindringling durchquerte den Raum und gelangte an die Treppe, die nach unten führte. Während er die Stufen hinabstieg, flackerte hinter ihm wieder der Spuk des älteren Mannes auf und wiederholte seine Aktion. Er hob das Astrolabium und richtete es auf einen Planeten, der schon vor langer Zeit in andere Bereiche des Himmels aufgebrochen war.
    Der Eindringling bewegte sich indes im Turm abwärts, durchquerte Stockwerke und Gänge, um andere Treppen und andere Gänge zu erreichen. Keiner der Räume war ihm verschlossen, auch jene nicht, die hinter festen Riegeln ruhten oder deren Türen Rost und Alter versiegelt hatten. Ein paar gemurmelte Worte, eine Berührung, eine Geste, und die Fesseln flogen auf, Rost sammelte sich in roten Haufen am Boden, Scharniere bewegten sich lautlos. An ein oder zwei Orten glommen Schutzzauber, trotz ihres Alters immer noch mächtig. Der Eindringling blieb für einen Augenblick nachdenklich vor ihnen stehen und suchte in seiner Erinnerung nach dem passenden Gegenzauber. Er sprach das richtige Wort, machte die richtige Handbewegung, zerschmetterte die Magie, die hier noch wirksam war, und schritt unbeeindruckt weiter.
    Während er seinen Weg durch den Turm fortsetzte, wurden die Schatten der Vergangenheit stetig unruhiger und aktiver. Jetzt, da sie ein Publikum hatten, schien es, als drängte es die vergessenen Geschichten sich zu erzählen, und sei es auch nur, um sich von diesem Ort zu befreien. Was immer sie einst an Klang besessen haben mochten, war vor langer Zeit verwittert, und nur die Bilder waren zurückgeblieben, wandelten durch die Hallen.
    Der Eindringling ging an einem greisen Diener in dunkler Livree vorbei, der langsam über einen leeren Gang schlurfte. Der gebrechliche, alte Mann trug ein silbernes Tablett, und Scheuklappen zierten die Seiten seines Kopfes. Der Störenfried durchquerte die Bibliothek, wo eine grünhäutige junge Frau, ihm den Rücken zugewandt, saß und sich über ein altes Buch beugte. Er durchschritt einen Bankettsaal, an dessen einem Ende eine Gruppe von Musikanten geräuschlos aufspielte, während Tänzer in einer Gavotte wirbelten. Am anderen Ende brannte eine große Stadt, deren Flammen vergeblich gegen die Steinwände und verrotteten Wandteppiche leckten. Der Eindringling ging durch die schweigenden Flammen. Sie konnten ihm nichts anhaben, aber sein Gesicht verzog sich angespannt, als er ein weiteres Mal Zeuge wurde, wie die mächtige Stadt Stormwind um ihn herum niederbrannte.
    In einem Raum saßen drei junge Männer um einen Tisch und erzählten sich längst vergessene Lügen. Becher aus Metall lagen auf dem Tisch und darunter. Der Störenfried stand lange vor diesem Bild, bis eine Phantom-Kellnerin eine neue Runde brachte. Er schüttelte den Kopf und ging weiter.
    Fast auf der untersten Ebene angekommen, trat er auf einen niedrigen Balkon hinaus, der unsicher wie ein Wespennest an der Mauer über dem Haupteingang hing. Dort, vor dem Turm,
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