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Wovon ich rede, wenn ich vom Laufen rede

Wovon ich rede, wenn ich vom Laufen rede

Titel: Wovon ich rede, wenn ich vom Laufen rede
Autoren: Haruki Murakami
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Wahl gekommen, hatte ich schon ganz vergessen, dass ich überhaupt an der Ausschreibung teilgenommen hatte, so sehr war ich mit meinem Alltagsleben beschäftigt. Zuerst begriff ich gar nicht, wovon die Rede war. Wie bitte, was? Jedenfalls bekam mein Roman den Preis und wurde im Sommer darauf veröffentlicht. Er wurde sogar recht gut besprochen. Ich war nun dreißig und hatte, ohne es direkt beabsichtigt zu haben, mein Debüt als aufstrebender Schriftsteller gegeben. Ich war ziemlich verblüfft, aber meine Umgebung wohl noch mehr.
    Danach schrieb ich – wir hatten noch das Lokal – einen zweiten mittellangen Roman: Pinball, 1973 . Zur gleichen Zeit verfasste ich ein paar Kurzgeschichten und übersetzte einige von F. Scott Fitzgerald. Hear the Wind Sing und Pinball, 1973 wurden für den Akutagawa-Preis nominiert, beide galten als aussichtsreiche Kandidaten, aber am Ende erhielt ihn keines der beiden Bücher. Ehrlich gesagt, war mir das auch völlig egal. Hätte ich ihn bekommen, wäre ich mit Aufträgen und Anfragen unglaublich beschäftigt gewesen. Wie hätte ich da den Club führen sollen?
    Drei Jahre lang hatte ich mich täglich um meinen Jazzclub gekümmert – Buchhaltung und Inventur gemacht, das Personal eingeteilt, hinter dem Tresen gestanden, Cocktails gemixt und gekocht, bevor wir in den frühen Morgenstunden schlossen. Erst dann setzte ich mich an den Küchentisch und schrieb, bis ich nicht mehr konnte. Ich hatte das Gefühl, mein Leben würde für zwei normale Menschen ausreichen. Jeder Tag war anstrengend, und zu schreiben und gleichzeitig ein Lokal zu führen brachte alle möglichen Schwierigkeiten mit sich. In einem Dienstleistungsbetrieb muss man jeden willkommen heißen, der durch die Tür kommt. Ganz gleich, wer die Gäste sind, man muss sie (wenn sie nicht wirklich abscheulich sind) mit einem freundlichen Lächeln begrüßen. Dadurch lernte ich jedoch viele schräge Vögel kennen und machte einige ungewöhnliche Erfahrungen. Pflichtschuldig, ja sogar enthusiastisch nahm ich alles auf. Die neuen Eindrücke und die damit verbundenen Anregungen machten mir zum größten Teil Spaß.
    Allmählich jedoch wurde mein Bedürfnis, einen Roman mit mehr Substanz zu schreiben, immer stärker. Bei meinen ersten beiden Werken Hear the Wind Sing und Pinball, 1973 hatte ich vor allem den Prozess des Schreibens genossen, und es gab darin einige Stellen, von denen ich nicht überzeugt war. Stets hatte ich mir nur eine halbe oder eine Stunde von der Arbeit abgezwackt und mich nie recht konzentrieren können, da ich ständig übermüdet war und im Wettlauf gegen die Zeit anschrieb. Auf diese etwas zerstreute Weise war mir zwar etwas Interessantes und Neues gelungen, aber von einem längeren Roman mit profundem Inhalt war ich weit entfernt. Nun hatte ich die Chance erhalten, Schriftsteller zu werden (ein Glück, das wahrlich nicht jedem vergönnt ist), und natürlich wuchs in mir der Wunsch, etwas daraus zu machen, einen Roman zu schaffen, von dem ich sagen könnte: »Das ist es.« Und ich dachte: »Du solltest ein größeres Werk schreiben.« Nach gründlichem Überlegen beschloss ich, den Club für eine gewisse Zeit zu schließen und mich ganz auf das Schreiben zu konzentrieren. Zu diesem Zeitpunkt übertrafen die Einkünfte aus dem Jazzclub meine Autorenhonorare, aber damit musste ich mich eben abfinden.
    Die meisten Leute in meinem Bekanntenkreis waren gegen meinen Entschluss oder hatten zumindest schwerste Bedenken. »Das Geschäft geht doch gut. Lass vorläufig jemand anderen den Club für dich führen, dann kannst du nach Herzenslust Romane schreiben«, riet man mir. Von außen betrachtet, war das einleuchtend, zumal die meisten wohl nicht glaubten, dass ich als professioneller Schriftsteller überleben würde. Aber ich konnte ihrem Rat nicht folgen. Ich bin ein Mensch, der sich einer Sache völlig verschreiben muss, ganz gleich, was es ist. Zu etwas so Pfiffigem, wie jemandem mein Geschäft zu übertragen, während ich schrieb, war ich einfach nicht imstande. Ich musste mich meiner Sache mit ganzer Kraft widmen, und falls ich scheiterte, würde ich das akzeptieren. Wenn ich jedoch nur halbherzig an die Sache heranginge, würde ich es später bereuen.
    Ungeachtet aller Widerstände verkaufte ich also den Club, verpasste mir, wenn auch etwas verlegen, das Etikett »Schriftsteller« und begann meinen Lebensunterhalt mit Schreiben zu verdienen. »Ich möchte nur zwei Jahre frei sein, um zu schreiben. Wenn es nicht
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