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Worum Es Geht

Worum Es Geht

Titel: Worum Es Geht
Autoren: Jutta Ditfurth
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allem zwei Funktionen: Die des drogenähnlichen Ersatzes für ein autonomes, freies Leben und die der Integration des Konsumierenden in die bestehenden Verhältnisse.
    Das Kapital muss, jedenfalls in den kapitalistischen Zentren, die Menschen mit der Teilhabe am relativen Wohlstand locken. Wäre die Unzufriedenheit in den Zentren so groß wie an seiner Peripherie, wäre die herrschende Ordnung bedroht. Diese Bedürfnisbefriedigung ist janusköpfig: Auf der einen Seite steht eine Flut betäubender, nutzloser, schädlicher, aber auch arbeitserleichternder, hübscher und unterhaltsamer Produkte. Auf der anderen Seite haben die Bedingungen der Rohstoffbeschaffung, ihre Verarbeitung und die Folgen der Produktion Landstriche verseucht, Armut verbreitet, Kriege angeheizt und arbeitende Menschen krank gemacht. Und die nutzlos-nützlichen Produkte sind vielleicht Spielzeuge mit krebserregenden Weichmachern, auf denen Kinder herumkauen; Medikamente ohne therapeutischen Nutzen und mit tödlichen Nebenwirkungen; Lebensmittel aus laboraromatisiertem Dreck.
    Was ist der Einbruch in einer Bank gegen ihre Gründung? Was ist ein Joint gegen den allgegenwärtigen Konsumrausch? Die bunte Welt der Waren ist die Superdroge. Der Mensch ist Arbeit und Konsum. Will er innerhalb dieser perversen Logik seinen »Wert« steigern, weil er seinen eigentlichen Wert nicht kennt, benötigt er Mittel zur materiellen Distinktion, zur abgrenzenden und andere Menschen abwertenden Unterscheidung. Er muss teurere, seltenere, ja auch offen sinnlosere Konsumgüter kaufen als die anderen.
    Wir leben in einer Gesellschaft voller Suchtkranker, deren Zustand als normal definiert wird. Keine Regierung und kein Gesundheitssystem planen, sie auf Entzug zu setzen. Dem Drogendealer und seinen Kumpanen gelingt es sogar, dem Suchtkranken einzureden, Herstellung und Vertrieb der Droge geschähen in seinem besten Interesse, ihr »Standortinteresse« sei identisch mit unserem Interesse an einem guten Leben.
    Viele Menschen funktionieren störungsfrei: statt ihre knappe freie Zeit für Schönes zu nutzen, shoppen sie. Statt Vögeln, Lesen, Streiten, Spielen, Musikmachen, Spielen, Recherchieren, Erfinden, Reisen und Denken, müllen sie, für ein paar Stunden aus dem Arbeitspferch »frei«gelassen, ihren Kopf zum Beispiel mit den vergleichenden Daten von Konsumgütern zu. In der so verschwendeten freien Zeit werden sie auf doppelte Weise für diekapitalistische Wirtschaftsordnung zugerichtet: Sie kaufen und mehren den Profit derer, von denen sie ausgebeutet werden. Zweitens helfen sie, die Verhältnisse zu stabilisieren, unter denen sie oft genug leiden, weil sie nichts Subversives mit ihrer kostbaren arbeitsfreien Zeit anzufangen wissen.
    Der schäbige Ersatz für ein selbstbestimmtes Leben sind die Scheinfreiheiten und Scheinidentitäten des Massen- und Luxuskonsums. Ich bin, was ich kaufe. Mein Auto / mein Flachbild-TV / mein iPhone usw. usf. Konsum und virtuelle Realitäten ersetzen eine echte Teilnahme an gesellschaftlichen Entwicklungen.
    Aus der überbordenden Warenvielfalt lassen sich Kleidung und andere Insignien eines »persönlichen, individuellen Stils« auswählen, dessen Zurschaustellung Identität zu stiften scheint. Aber diese gekauften Identitäten sind Schimären. Die Konsumdroge mag eine Zeitlang die alltägliche Demütigung überdecken, in hierarchischen Strukturen zu arbeiten und Sinnloses, Fremdbestimmtes, gar Schädliches herzustellen. Auf Dauer aber nützt die Droge Konsum als Ventil nichts. Der denkende Mensch ertappt sich in der Falle unzufriedener Zufriedenheit, in einer mit Waren vollgestopften Leere.
    Spätestens wenn man seine Telefonrechnung nicht bezahlt, sind die Leitungen zur Außenwelt und ins
world wide web
schneller gekappt, als Eis in tropischer Sonne schmilzt. Es ist keine technische, sondern eine soziale Frage. Wer kein Handy und keinen Internetzugang besitzt, kann nicht mitmachen, wird isoliert und aus der Gemeinschaft ausgeschlossen. Diesem Zwang der Verhältnisse können sich Jugendliche und Erwachsene kaum entziehen.
    Sofern die Rechnung bezahlt ist und die Technik funktioniert, betritt der Mensch das Reich der Überwachung, der Manipulation und des grenzenlosen Konsums. Es verändert seine Art, mit anderen Menschen zu kommunizieren. Und dann beginnt die Sisyphus-Arbeit, denn in diesem Giftmüllgebirge von Desinformation und Schrott sind winzige Perlen wertvoller Information nicht zu surfen, sondern zu schürfen.
    Die Methoden,
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