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Worte bewegen die Welt - Die großen Dichter und Schriftsteller - Barock bis Klassik

Worte bewegen die Welt - Die großen Dichter und Schriftsteller - Barock bis Klassik

Titel: Worte bewegen die Welt - Die großen Dichter und Schriftsteller - Barock bis Klassik
Autoren: Brockhaus
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Quijote erlaubte es, die Dinge aus einer völlig anderen Perspektive zu sehen, die scheinbar Selbstverständliches höchst fragwürdig erscheinen ließ. Mit der Waffe des Lachens wurde Kritik geübt an den Ungerechtigkeiten, der Gewalt und der Unfreiheit der Ständegesellschaft der Zeit. So konnte und sollte der »Don Quijote« in der Nachfolge des »Lobs der Torheit« des Erasmus von Rotterdam gelesen werden, das in Spanien wie im restlichen Europa das Lachen zur mächtigsten Waffe gegen ein erstarrtes religiöses und politisches Denken gemacht hatte.
    Der zweite Teil des Romans schildert die dritte Ausfahrt Don Quijotes und den zunächst scheiternden, dann aber doch erfolgreichen Versuch, ihn mit seinen eigenen Waffen zu schlagen und ihn mithilfe eines fingierten Ritterduells nach Hause zu holen. In diesem Teil bewegen sich Don Quijote und Sancho Pansa in einer Welt, in der Dichtung und Realität ineinander übergehen, haben doch alle Personen, die ihnen begegnen, den ersten Teil des Romans schon gelesen. Die lange Episode etwa, in der Sancho Pansa sein heiß ersehntes Gouverneursamt auf der imaginären Insel Barataria mit erstaunlicher Klugheit ausübt (Kapitel 42–53), kann als Entwurf einer Utopie und als deutliche Zeitkritik gelesen werden. Doch endet das Werk letztendlich »humoristisch versöhnt«: Don Quijote erlangt mit dem Verstand auch seine ursprüngliche Identität wieder.
    So umstritten die Gesamtdeutungen des »Don Quijote« im Einzelnen sein mögen, so unstrittig ist die Feststellung, dass Cervantes mit diesem Werk den ersten modernen Roman geschaffen und die grundlegenden Elemente der Gattung, insbesondere das Spiel mit der Rolle des Erzählers und die ironische Erzählhaltung, meisterhaft zu handhaben gewusst hat. Er wertete damit den Roman als seinerzeit von den zeitgenössischen Gelehrten nicht allzu sehr geschätzte Gattung deutlich auf und machte ihn zu einem Medium, das durchaus auch unterhaltend ist, zugleich aber die – ironisch distanzierte – Reflexion des Menschen über sich selbst in den Vordergrund stellt.
    EINE DIESSEITIGE SICHT DES MENSCHEN
    Im Vorwort der – insgesamt zwölf – »Exemplarischen Novellen« stellt Cervantes nicht nur voller Stolz fest, er sei der erste Autor, der in spanischer Sprache Novellen geschrieben habe, sondern er betont zugleich, dass ihre Exemplarität in ihrer moralischen Mustergültigkeit liege. Wie der »Don Quijote« waren auch die »Exemplarischen Novellen« ein unmittelbarer Publikumserfolg. Anders als der Roman lösten sie eine ganze Mode des Novellenschreibens in Spanien aus, die allerdings rasch eine Entproblematisierung der Inhalte und eine Konzentration auf die spannende Unterhaltung vollzog.
    RICHARD STRAUSS: »DON QUIXOTE«
    Wie fast alle großen Werke der Weltliteratur wurde auch Cervantes’ »Don Quijote« vertont. Richard Strauss’ Tondichtung über die tragikomische Figur des Ritters Don Quijote und seinen Diener Sancho Pansa mit dem Untertitel »Fantastische Variationen über ein Thema ritterlichen Charakters« entstand 1897 in München. Musikalisch wird Don Quijote – ritterlich und grotesk zugleich – mit einem Violoncellosolo vorgestellt. Sancho Pansa präsentiert sich mit Bassklarinette und Tenortuba, bevor später die Bratsche diese Bufforolle übernimmt.
    Auf dieser Doppelthematik basiert die Komposition, die sich in zehn theatralischen Szenen entfaltet. Das Finale gerät zum wehmütigen Abschiedsgesang auf den Helden, der erkennt, dass die kühnen Abenteuer nur Launen seiner Fantasie waren. Die Uraufführung fand am 8. März 1898 im Kölner Gürzenich statt.
    Zwar finden sich in der Sammlung solch idealistische Erzählungen wie »Das Zigeunermädchen« und »Die edle Dienstmagd«, in denen eine keusche Liebe zu Ehe und Glück führt, in »Die Stimme des Blutes« dagegen wird die Protagonistin vergewaltigt, und die Erzählung »Rinconete und Cortadillo« beschreibt erstaunlich direkt die Sevillaner Welt des Diebstahls und der Prostitution. Cervantes zeigt diese Welt aus einer humanistischironischen Perspektive so, wie sie tatsächlich ist: beherrscht von Leidenschaften und jeder Art von Normverletzungen. Dabei schildert er in spannender Weise verschiedenste Formen, spart aber – anders als sein Vorläufer Boccaccio – bestimmte Werte und Institutionen wie die Ehe konsequent aus.
    EIN THEATER OHNE BÜHNE
    Cervantes war stets vom Theater und von der Bühne fasziniert. In zwei Phasen hat er versucht, sich als Autor am
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