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Worte bewegen die Welt - Die großen Dichter und Schriftsteller - Barock bis Klassik

Worte bewegen die Welt - Die großen Dichter und Schriftsteller - Barock bis Klassik

Titel: Worte bewegen die Welt - Die großen Dichter und Schriftsteller - Barock bis Klassik
Autoren: Brockhaus
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Theaterleben seiner Zeit zu beteiligen, das seit den 1580er-Jahren mit der Herausbildung fester kommerzieller Bühnen, professioneller Schauspieltruppen und eines umfangreichen Stückerepertoires einen großen Aufschwung erfuhr. Von den 20 bis 30 Stücken, die er in einer ersten Phase zwischen 1580 und 1587 geschrieben und alle auch mit Erfolg zur Aufführung im Theater gebracht haben will, ist jedoch keines zum Druck gelangt. Nur zwei von ihnen – »Der Handel von Algier«, eine amüsante Liebesgeschichte unter Christensklaven im muslimischen Algier, und »Die Belagerung von Numantia«, ein patriotisches Stück über den heroischen Widerstand und Tod der »Spanier« im Kampf gegen die Römer – sind eher zufällig erhalten geblieben. Diese beiden durchaus bühnenwirksamen Stücke machen eines deutlich: Mit ihrer thematischen und formalen Vielschichtigkeit folgten sie weder der von Lope de Vega, dem um 1600 führenden Literaten und angesehensten Dramenautor Spaniens, entwickelten »comedia nueva«, noch bewegten sie sich im Rahmen der technischen Möglichkeiten der auf ein Dutzend Mitwirkende beschränkten Theatertruppen, die ihren wirtschaftlichen Erfolg Unterhaltungsstücken mit vielen komischen Elementen verdankten.
    Als Cervantes sich nach 1600 erneut dem Theater zuwandte, blieb er – trotz der zwischenzeitlich großen Erfolge Lope de Vegas – seiner eigenen Vorstellung von Theater treu und wurde konsequenterweise von den Schauspieltruppen nicht in ihr Repertoire aufgenommen. 1615 ließ er deshalb die Theaterstücke seiner zweiten Phase mit dem trotzigen Titel »Acht Komödien und acht Zwischenspiele, neu und niemals aufgeführt« im Druck erscheinen. Von den Komödien haben zumindest »Der glückhafte Zuhälter« und »Peter Tunichtgut«, von den Zwischenstücken »Das Wundertheater« und »Die Höhle von Salamanca« im 20. Jahrhundert ihre Bühnenwirksamkeit bewiesen.
    CERVANTES’ LITERARISCHES TESTAMENT
    Von allen erzählenden und dramatischen Werken des Cervantes ist sein später Roman »Die Mühen und Leiden des Persiles und der Sigismunda. Eine septentrionale Geschichte«, erschienen 1617, dem modernen Leser am fremdesten geworden. Für den Autor (der darin sein literarisches Testament sah) und für seine humanistisch gebildeten Leser besaß dieses Spätwerk jedoch eine ganz andere literarische Würde als die »Galatea« oder der »Don Quijote«, da es auf ein antikes Vorbild verweisen konnte, nämlich die »Äthiopischen Geschichten« des Griechen Heliodor.
    Dieser spätantike Roman nahm in der zeitgenössischen Poetik einen außerordentlich hohen Rang ein. Seinem Vorbild folgt Cervantes’ Roman in der Anlage der Handlung als einer ebenso langen wie abenteuerlichen Reise, die ein junges Liebespaar im – für den damaligen Leser mit dem Reiz des fernen Unbekannten ausgestatteten – Norden Europas beginnt. Schiffbrüche, Gefangennahmen, Nachstellungen von Rivalen trennen das Paar immer wieder, bis es schließlich doch glücklich vereint ist.
    CERVANTES UND DIE WELTLITERATUR
    Wie Goethe mit dem »Faust« und Shakespeare mit »Hamlet« gehört auch Cervantes zu den wenigen Autoren der Weltliteratur, die im Bewusstsein ihrer Leser – und Nichtleser – hinter eine von ihnen geschaffene Gestalt zurückgetreten sind. Das Interesse der Cervantes-Leser hat sich über die Jahrhunderte hinweg auf die »Exemplarischen Novellen« und den »Don Quijote« konzentriert. Die Zahl der Autoren, für die der »Don Quijote« bis in die jüngste Vergangenheit formal und inhaltlich zur Inspirationsquelle wurde, ist unüberschaubar. Dabei wurde der Roman von Spaniern und Nichtspaniern zunächst als parodistisches Werk voller Spott und Gelächter gesehen. Eine »ernsthaftere« Deutung setzte im 18. Jahrhundert außerhalb Spaniens ein, wo man, wie Montesquieu, den Roman als spöttischen Kommentar zur spanischen Dekadenz seit den Zeiten Philipps II. lesen wollte. Im Streit um den richtigen Weg zur Erneuerung Spaniens wurde der »Don Quijote« zum Symbol Spaniens schlechthin, der je nach der Ideologie und politischen Überzeugung des Autors die völlige Rückständigkeit des Landes oder, wie dies Miguel de Unamuno sah, den gläubig idealistischen Kampf Spaniens gegen die »Windmühlen der Moderne« inkarnierte.
    Die bewegte und immer wieder überraschende Handlung hat Cervantes mit einer christlichen Deutungsebene überlagert. Die Reise wird zum Symbol der »Pilgerfahrt des Menschen auf Erden«, die durch das »Meer der
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