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World Wide War: Angriff aus dem Internet (German Edition)

World Wide War: Angriff aus dem Internet (German Edition)

Titel: World Wide War: Angriff aus dem Internet (German Edition)
Autoren: Richard A. Clarke , Robert A. Knake
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über den Gräbern gefallener sowjetischer Soldaten. Im Jahr 1974 stolperte ich in Wien buchstäblich über eine dieser Statuen. Alsich die Polizisten, die das Denkmal bewachten, fragte, warum im Zentrum der Hauptstadt des neutralen Österreich ein riesiger Rotarmist stehe, erklärten sie mir, die Sowjetunion habe die Statue kurz nach Kriegsende dort aufgestellt und der österreichischen Regierung das Versprechen abgenommen, sie niemals zu entfernen. Tatsächlich ist die Verpflichtung, dieses Denkmal zu erhalten, im Staatsvertrag, den die Österreicher im Jahr 1950 mit Amerikanern und Russen schlossen, ausdrücklich festgehalten. Anscheinend bedeuten diese Statuen den Russen sehr viel, so wie die Gräber der im Zweiten Weltkrieg gefallen amerikanischen Soldaten für viele Veteranen und ihre Familien heiliger Boden sind. Die riesigen Bronzestatuen hatten stets auch große Bedeutung für die »Befreiten«, obwohl sie etwas ganz anderes damit verbanden als die Russen. Die Denkmäler und die darunter ruhenden sterblichen Überreste der Rotarmisten waren symbolische Blitzableiter. In Tallinn zog die Statue auch virtuelle Blitze an.
    Nach der Unabhängigkeitserklärung des kleinen Landes am Ende des Kalten Kriegs kam es zu Spannungen zwischen den in Estland lebenden Russen und der estnischen Bevölkerung. Die estnische Bevölkerungsmehrheit versuchte, jeden Hinweis auf die fünf Jahrzehnte der Unterdrückung, in denen das Land gegen seinen Willen Teil der Sowjetunion gewesen war, zu beseitigen. Im Februar 2007 beschloss das Parlament ein »Gesetz gegen verbotene Denkmäler«, das die Grundlage für die Beseitigung sämtlicher Erinnerungen an die russische Besatzung darstellte, zu denen auch der riesige Bronzesoldat zählte. Die Esten hatten der Roten Armee die Schändung der estnischen Soldatengräber nie verziehen.
    Die russische Regierung wandte ein, die Entfernung des Bronzesoldaten werde das Andenken der sowjetischen Gefallenen herabwürdigen, darunter auch jener, die unter der Statue begraben lagen. Um einen Konflikt mit dem großen Nachbarn zu vermeiden, legte der estnische Präsident sein Veto gegen das Gesetz ein. Aber die Öffentlichkeit forderte immer lauter die Entfernung derStatue. Sowohl die Russen in Estland, die ihr Monument retten wollten, als auch eine nationalistische estnische Gruppe, die drohte, die Statue in die Luft zu sprengen, wurden zusehends militant. Als der baltische Winter dem Frühling wich, verlagerte sich die politische Auseinandersetzung auf die Straße. Am 27. April 2007 kam es zur »Bronzenacht«: Radikale Demonstranten auf beiden Seiten lieferten sich beim Denkmal eine Straßenschlacht, und die Polizei und die Statue gerieten ins Kreuzfeuer. Die Behörden reagierten rasch und fanden für den bronzenen Rotarmisten einen geschützten Standplatz auf dem Soldatenfriedhof. Doch diese Maßnahme beruhigte die Gemüter nicht, sondern löste empörte nationalistische Reaktionen in den russischen Medien und in der Duma aus.
    Und an diesem Punkt verlagerte sich der Konflikt in den virtuellen Raum. Estland zählt, ähnlich wie Südkorea, bemerkenswerterweise zu den am besten vernetzten Ländern der Welt, und genau diese Fortschrittlichkeit macht es zu einem perfekten Ziel für elektronische Attacken. Nach der »Bronzenacht« wurden die Server, auf denen die am häufigsten genutzten Websites des Landes untergebracht waren, mit Zugriffsanforderungen überflutet und brachen teilweise zusammen. Andere Server wurden durch die massenhafte Übermittlung von Ping-Paketen lahmgelegt. Die Esten hatten keinen Zugang mehr zum Online-Banking, zu den Websites ihrer Zeitungen oder zu den elektronischen Diensten der öffentlichen Verwaltung.
    Estland war Opfer einer »verteilten Dienstblockade« geworden, einer DDoS (Distributed Denial of Service). Normalerweise gilt eine DDoS-Attacke als geringfügiges Ärgernis, nicht als wichtige Waffe im Arsenal der Netzkrieger. Im Grunde handelt es sich um eine programmierte Flut von Datenübermittlungen, die dazu dient, Netze lahmzulegen. »Verteilt« ist eine solche Dienstblockade insofern, als Tausende oder auch Hunderttausende Rechner genutzt werden, um Ping-Pakete gezielt an eine Handvoll Adressen im Internet zu schicken. Die angreifenden Rechner werden als »Botnetz« bezeichnet, als Netz roboterartiger »Zombies«, da diese Computer von den Angreifern ferngesteuert werden. Die für den Angriff missbrauchten Rechnerzombies befolgen Anweisungen, die ihnen ohne Wissen
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