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Wood, Barbara

Wood, Barbara

Titel: Wood, Barbara
Autoren: Dieses goldene Land
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Diagnose stellte und die
entsprechende Krankheit dann behandelte, erkannte John, wie viel Freude es ihm
machte, Menschen auf diese Weise zu helfen. Vielleicht gab es für ihn noch ein
weiteres Betätigungsfeld im medizinischen Bereich. Als er damit herausrückte,
dass er gern Chirurg werden würde, stieß er bei seinem Mentor keineswegs auf
Ablehnung, auch wenn der Ältere insgeheim den jungen Quäker für zu weichherzig
und mitfühlend hielt, um sich über die Schmerzensschreie hinwegzusetzen, wie
sie im Operationssaal gang und gäbe waren, ganz abgesehen von den Sturzbächen
von Blut, die mit den Eingriffen einhergingen, von unvermeidlich nachfolgendem
Wundbrand und Eiter und nicht zuletzt der hohen Quote an Todesfällen bei
solchen Patienten. Immerhin empfahl er John, sich die öffentlichen
chirurgischen Einrichtungen zunutze zu machen. John Conroy war also in die
Stadt gezogen und hatte eine Platzkarte für die Besuchergalerie im St. Bart
Hospital erstanden, um den Chirurgen bei ihrer Arbeit zuzuschauen - wie sie
einer Frau eine von Krebs befallene Brust amputierten.
    Im
Gegensatz zu einigen anderen Zuschauern wurde John zwar nicht ohnmächtig, als
er die durch Mark und Bein gehenden Schreie der Patientin vernahm und die
Ströme von Blut sah; was jedoch für ihn den Ausschlag gab, nie und nimmer
Chirurg zu werden, war, dass zum Wohle des Patienten ein Chirurg schnell sein,
quasi nach der Stoppuhr arbeiten musste. Ein Hoden oder eine Brust mit
Krebsbefall war zwingend in weniger als einer Minute zu amputieren, andernfalls
starb der Patient infolge des Schocks. John Conroy war zu langsam und
gründlich, um Chirurg zu werden.
    Praktische
Ärzte dagegen verabreichten Medikamente, die Schmerzen und Unwohlsein
linderten. Also sah der Quäker von seinen hochfliegenden Plänen ab und fand,
dass das Betätigungsfeld des Praktischen Arztes seinem Wesen am besten
entsprach. Und wie es sich ergab, beschränkte sich Dr. Conroy nicht nur darauf,
Pillen und Salben zu verteilen, Verstauchungen zu bandagieren und Knochen
einzurenken. Nein, er hörte sich auch die Probleme seiner Patienten an - ob es
sich nun um eine schlechte Ernte handelte oder um eine Kuh, die nicht mehr
genug Milch gab -, weil er wusste, dass ein offenes Ohr zuweilen die beste
Medizin darstellte.
    Jetzt war
er tief beunruhigt. Die Kunde von der Geburt des Kindes hätte längst bis zu
ihnen dringen sollen. Er hegte die Befürchtung, dass Miles Willoughby nicht so sehr auf das Wohl des Babys bedacht war, sondern
wie viele Unzen Blut er Margaret noch abzapfen konnte.
     
    Nicht ohne
Stolz konnte Miles Willoughby
auf eine erfolgreiche Karriere zurückblicken. Die ersten dreißig Jahre hatte er
in London praktiziert, als Arzt der guten Gesellschaft von Belgravia, wo auch
er ein elegantes Haus besaß. Mit fünfzig dann musste er feststellen, dass die
feuchte Luft und der Nebel seinen Gelenken nicht guttaten, weshalb er in ein
milderes Klima, nämlich nach Kent, zog und
dort die Praxis eines Arztes übernahm, der sich in den Ruhestand verabschiedete
und nicht nur selbst der obersten Schicht angehörte, sondern sich einer
Klientel rühmte, der zwei Mitglieder des Parlaments, ein Richter am Obersten
Gericht sowie ein Graf angehörten.
    In den
fünfzehn Jahren, die seither verstrichen waren, hatte sich Willoughby aufs
Angenehmste in der Gegend von Bayfield eingerichtet.
Er genoss das Ansehen, das man ihm entgegenbrachte, die Wochenenden auf großen
Landsitzen, Einladungen zu Bällen und auf die Jagd, und vor allem kam ihm
entgegen, dass man ihn als Arzt nur selten in Anspruch nahm. Er brauchte nicht
mehr zu tun, als sich um Damen mit Hitzewallungen zu kümmern (jeweils
Aderlass), um Kinder mit Bauchweh (Blutegel auf den Leib setzen) und um
Rückenschmerzen, wie sie gelegentlich bei Gentlemen auftraten (Opium, vermischt mit Brandy). Alles weniger Angenehme -
Eiterbeulen, die aufgestochen werden mussten, oder Schlimmeres - verwies er an
Kollegen in London, die er als Spezialisten hinstellte (dabei waren sie nur
nicht so verwöhnt wie Willoughby), und hin und wieder an Chirurgen, die auf der
gesellschaftlichen Leiter der Mediziner weiter unten angesiedelt waren.
    Erfreut
stellte Willoughby jetzt fest, dass das Blut aus dem Arm der Baronin nur noch
spärlich tropfte, was bedeutete, dass der Überschuss erfolgreich aus ihrem
Körper abgeflossen war und nicht länger Druck auf die Gebärmutter ausübte. »Gut
gemacht, Eure Ladyschaft«, sagte er und löste den Stauschlauch,
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