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Wood, Barbara

Wood, Barbara

Titel: Wood, Barbara
Autoren: Dieses goldene Land
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dann nach einer Decke für den Vater um, allerdings vergeblich. Das
modrige Mobiliar, das im Halbdunkel auszumachen war, verlieh dem Raum etwas
Unheimliches, Gottverlassenes. Mit Hilfe der einzig brennenden Kerze zündete
Hannah einen sechsarmigen Leuchter an, den sie unweit von ihrem Vater
abstellte. Aber auch das zusätzliche Licht trug nur wenig dazu bei, die düstere
Atmosphäre etwas aufzuhellen.
    Während
Hannah geschäftig hin und her lief und ganz so, als wäre sie die Dame des
Hauses, die schweren Vorhänge zuzog, abermals am Klingelstrang zog, in der
Kohlenkiste nach Zunderschwamm zum Entfachen eines Feuers suchte, kam John
Conroy nicht umhin, die neu erworbene Selbstsicherheit seiner Tochter zu
bewundern. Als scheues, in sich gekehrtes Mädchen von achtzehn Jahren hatte
sie vor dreizehn Monaten Bayfield verlassen
und war nun als selbstbewusste junge Frau heimgekehrt. Wie begeistert sie von
Patienten, Studienkollegen und Professoren erzählte! »Reine Zeitverschwendung,
ein Mädchen etwas lernen zu lassen«, hatten Freunde und Dorfbewohner Dr.
Conroy gewarnt. »Da werden sie nur hochnäsig und bilden sich ein, was Besseres
zu sein. Kein Mann will so eine heiraten.« John Conroy hatte sich taub
gestellt. Und es hatte sich gelohnt. Die Ausbildung zur Hebamme hatte seiner
Tochter Kenntnisse und Fertigkeiten beschert, die ihr ein Leben lang zugute
kommen würden - so jedenfalls empfand es ein überaus stolzer Vater, der sich
darauf gefreut hatte, sich seine Arztpraxis mit der Tochter zu teilen. Bis
heute ...
    »Ärztliches Versagen, Amtsmissbrauch und sträfliche Fahrlässigkeit.«
    Begriffe,
die schärfer waren als Messer und tödlicher als Kugeln. John Conroy spürte,
wie sich sein Herz zusammenkrampfte. Ein Körper kann jedwede Bestrafung über
sich ergehen lassen, überlegte er, die Seele hingegen ist etwas unendlich
Verletzbares. »Hannah«, flüsterte er, »hol mir meine Tasche.«
    Sie stand
sofort bei ihm, sah ihn forschend an, griff nach seinem Handgelenk, um ihm den
Puls zu fühlen. Bei ihrem Aufbruch nach London war er noch bei guter
Gesundheit gewesen, umso mehr erschrak sie bei ihrer Rückkehr darüber, wie sehr
er sich verändert hatte. Nicht zuletzt deshalb, weil er sich, wie sie aus ihm
herausbekommen hatte, in seinem Eifer, ein Rezept gegen Kindbettfieber zu
finden, regelrecht aufgerieben hatte. Bereits an ihrem ersten Abend zu Hause,
als ihr Gepäck noch im Flur stand, hatte er aus seinem kleinen Labor gerufen:
»Hannah! Hannah! Komm mal ganz schnell!« Worauf sie ihre Röcke gerafft hatte
und zu ihm geeilt war. Noch über sein Mikroskop gebeugt, hatte er sie zu sich
gewinkt und aufgefordert: »Schau du mal da durch, Hannah. Und sag mir, was du
siehst.«
    Weil das
Labor so klein und mit Werkbänken, Hockern, einem Schreibtisch und Kisten
voller Akten und allem möglichen Material zugestellt war, musste sich Hannah
vorsichtig zu ihm durchschlängeln, immer darauf achtend, mit ihrem Reifrock
nichts umzustoßen, bis sie sich über das Okular beugen konnte. »Ich sehe
Mikroben, Vater.«
    »Bewegen
sie sich?«
    »Ja.«
    Er hatte
den Objektträger gegen einen anderen vertauscht. »Und jetzt schau dir dies mal
an.«
    Wieder
schaute sie durch das Okular. »Die da bewegen sich nicht.«
    »Auf dem
ersten Träger sind die von Frank Miller vom Bauernhof der Botts. Er hat
Wundbrand. Ich habe etwas Eiter aus seiner Wunde auf meine Hand gestrichen und
mir dann die Hände mit der neuen Rezeptur gewaschen.«
    »Vater! Du
hast an dir herumexperimentiert?!«
    »Pass gut
auf, Hannah. Überprüf das für mich.«
    Dr. Conroy
hatte sich die Überbleibsel des Abstrichs aus der Millerschen Wunde auf die
Hände geschmiert und dann etwas davon abgekratzt und auf einem Objektträger
unter das Mikroskop geschoben. Wieder schaute Hannah durch das Okular und sah
lebhafte Bewegungen der Winzlinge. Jetzt wusch sich Conroy in einer mit einer
stark riechenden Lösung gefüllten Schüssel die Hände, tauchte sie in klares
Wasser, zog das Spülwasser in eine Pipette und ließ ein wenig davon auf einen
Objektträger tropfen, den er unter die Linse schob. »Und was siehst du jetzt?«
    »Da bewegt
sich nichts, Vater.«
    »Gelobt
sei Sein Name«, murmelte John Conroy. Dann wurde er lebhafter. »Hannah, ich
glaube, das ist sie, die Formel! Endlich! Das Rezept, nach dem ich geforscht
habe. Ich werde nach London fahren und meine Ergebnisse der erlauchten
Ärzteschaft dort vortragen.«
    »Aber
Vater, letztes Mal ...« Jener Tag vor zwei
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