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Wolken über Ebou

Wolken über Ebou

Titel: Wolken über Ebou
Autoren: Robert Jordan
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mit Löwen verzierte Teekanne aus einem fernen Land, ein mit schnurartigen Verzierungen versehenes Silbertablett aus einem anderen Land und kleine grüne Becher aus erlesenem MeervolkPorzellan. Der Tee schmeckte natürlich real, und man hatte tatsächlich das Gefühl, ihn hinunterzuschlucken. Egwene erkannte den Tee, trotz eines vagen Geschmacks nach süßen Beeren oder Kräutern, nicht - er war für ihr Empfinden zu bitter. Sie stellte sich ein wenig Honig darin vor und nahm einen weiteren Schluck. Zu süß. Ein Hauch weniger Honig. Jetzt schmeckte er richtig. Das war etwas, was man mit der Einen Macht nicht bewerkstelligen konnte. Egwene bezweifelte, daß irgend jemand so feine Stränge Saidars weben konnte, daß man damit Honig aus dem Tee entfernen konnte.
    Sie saß einen Moment nur da, schaute in ihren Becher und dachte über Honig und Tee und feine Stränge Saidars nach, aber nicht das ließ sie schweigen. Die Weisen Frauen wollten Rand genauso gängeln wie Elaida oder Romanda oder Lelaine oder sehr wahrscheinlich jede andere Aes Sedai. Sie wollten den Car'a'carn natürlich nur auf die für die Aiel beste Art anleiten, aber jene Schwestern wollten den Wiedergeborenen Drachen auf etwas hinführen, was ihrer Meinung nach für die Welt das beste war. Sie schonte sich nicht. Rand zu helfen, ihn davor zu bewahren, einen nicht wiedergutzumachenden Streit mit Aes Sedai einzugehen, bedeutete auch, ihn anzuleiten. Nur daß ich recht habe, erinnerte sie sich. Was auch immer ich tue, ist genauso sehr zu seinem Nutzen wie zum Nutzen aller anderen. Niemand sonst denkt jemals darüber nach, was für ihn richtig ist. Aber sie sollte besser daran denken, daß diese Frauen mehr als lediglich ihre Freundinnen und Anhänger des Car'a'carn waren. Sie lernte allmählich, daß niemand jemals nur irgend etwas war.
    »Ich glaube nicht, daß Ihr uns nur sagen wolltet, daß Ihr jetzt ein weiblicher Häuptling unter den Feuchtländern seid«, sagte Amys über ihren Teebecher hinweg. »Was beunruhigt Euch, Egwene al'Vere?«
    »Mich beunruhigt was mich stets beunruhigt.« Sie lächelte, um die Stimmung aufzulockern. »Manchmal denke ich, daß Rand mir vorzeitig graue Haare bescheren wird.«
    »Ohne die Männer hätte keine Frau graue Haare.« Das wäre von Melaine normalerweise als Scherz gemeint gewesen, und dann hätte Bair ebenfalls einen Scherz über Melaines tiefgründiges Wissen über Männer gemacht, das sie in nur wenigen Monaten Ehe erlangt hatte. Aber jetzt war es nicht so. Alle drei Frauen beobachteten Egwene einfach nur und warteten ab.
    Sie wollten also ernst sein. Nun, Rand war eine ernste Angelegenheit. Sie wünschte nur, sie könnte sicher sein, daß sie alles genauso beurteilten wie sie. Egwene balancierte ihren Teebecher auf den Fingerspitzen und erzählte ihnen alles. Von Rand ohnehin und von ihren Ängsten, seit sie von dem Schweigen aus Caemlyn erfahren hatte. »Ich weiß nicht, was er getan hat - oder was Merana getan hat. Jeder sagt mir, wie erfahren sie sei, aber sie hat noch nicht mit Menschen wie ihm zu tun gehabt. Wenn es um Aes Sedai geht - würdet Ihr diesen Becher auf einer Wiese verstecken, würde es ihm dennoch gelingen, innerhalb von drei Schritten hineinzutreten. Ich weiß, daß ich es besser machen könnte als Merana, aber...«
    »Ihr könntet zurückkehren«, schlug Bair erneut vor, doch Egwene schüttelte entschlossen den Kopf.
    »Ich kann dort, wo ich bin, mehr tun - als Amyrlin. Aber es gibt auch für den Amyrlin-Sitz Regeln.« Sie verzog einen Moment den Mund. Sie gab es nicht gern zu, besonders nicht diesen Frauen gegenüber. »Ich kann ihn ohne die Erlaubnis des Saals nicht einmal besuchen. Ich bin jetzt eine Aes Sedai, und ich muß unseren Gesetzen gehorchen.« Es klang heftiger, als sie beabsichtigt hatte. Es war ein törichtes Gesetz, aber sie hatte noch keine Möglichkeit gefunden, es zu umgehen. Zudem blieben ihre Gesichter so ausdruckslos, daß sie ohne Zweifel innerlich ungläubig kicherten. Nicht einmal ein Clanhäuptling hatte das Recht zu sagen, wann oder wohin eine Weise Frau gehen sollte.
    Die drei Frauen wechselten lange Blicke. Dann stellte Amys ihren Teebecher ab. »Merana Ambrey und andere Aes Sedai folgen dem Car'a'carn zur Stadt der Baummörder. Ihr braucht nicht zu befürchten, daß er sie falsch behandelt oder umgekehrt. Wir werden feststellen, daß es keine Schwierigkeiten zwischen ihm und irgend einer Aes Sedai gibt.«
    »Das klingt kaum nach Rand«, sagte Egwene zweifelnd.
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