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Wolken über Ebou

Wolken über Ebou

Titel: Wolken über Ebou
Autoren: Robert Jordan
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wie diejenigen, die sie getragen hatte, während sie bei ihnen gelernt hatte - mit einem tief dunkelgrünen, fast schwarzen, mit Fransen versehenen Schal und einem gefalteten Kopftuch, das ihr schwarzes Haar zurückhielt. Natürlich ahmte sie nicht ihren Schmuck nach, die vielen Halsketten und Armbänder, denn dafür hätten sie sie ausgelacht. Eine Frau erweiterte ihre Schmucksammlung über die Jahre und nicht im Handumdrehen in einem Traum.
    »Logain ist auf dem Weg zur Schwarzen Burg«, sagte sie laut. Sie hoffte gewiß, daß dem so sei. Zumindest wäre er dann wieder etwas besser unter Kontrolle - zumindest hoffte sie auch das -, und wenn er gefangengenommen und wieder gedämpft wurde, konnte Rand keiner Schwester vorwerfen, ihr zu folgen. »Und Moghedien kann nicht wissen, wo ich bin.« Sie versuchte, es wie eine Gewißheit klingen zu lassen.
    »Warum solltet Ihr die Schattenbeseelten fürchten?« fragte eine Stimme hinter ihr, und Egwene schrak zusammen. Da dies Tel'aran'rhiod und sie eine Traumgängerin war, befand sie sich bereits mehr als ihre Körpergröße hoch über dem Boden, bevor sie wieder zu sich kam. O ja, dachte sie, während sie schwebte, ich bin weit über Anfängerfehler hinausgelangt. Wenn dies so weiterging, würde sie als nächstes noch zusammenzucken, wenn Chesa ihr einen guten Morgen wünschte.
    Sie hoffte, daß sie nicht zu stark errötete, während sie sich langsam wieder herabsinken ließ. Vielleicht konnte sie einen Rest Würde bewahren.
    Bairs betagtes Gesicht hatte möglicherweise durch das fast bis zu ihren Ohren reichende Grinsen mehr Falten als üblich. Anders als die beiden anderen Frauen, die bei ihr waren, konnte sie die Macht lenken, aber das hatte nichts mit dem Traumgehen zu tun. Sie war genauso begabt wie alle anderen und auf manchen Gebieten noch begabter. Amys lächelte ebenfalls, wenn auch nicht so breit, aber die blonde Melaine warf den Kopf zurück und brüllte vor Lachen.
    »Ich habe niemals jemanden gesehen...«, brachte Melaine mühsam hervor. »Wie ein Kaninchen.« Sie vollführte einen kleinen Sprung und stieg damit einen vollen Schritt in die Luft.
    »Ich habe Moghedien vor kurzem ziemlich verletzt.« Egwene war recht stolz auf ihre Haltung. Sie mochte Melaine - die Frau war jetzt weitaus weniger schwierig als zu der Zeit, bevor sie schwanger gewesen war, tatsächlich mit Zwillingen -, aber in diesem Moment hätte Egwene sie mit Vergnügen erwürgt. »Einige Freunde und ich haben ihren Stolz, wenn nicht mehr, verletzt. Ich glaube, sie würde die Möglichkeit begrüßen, es mir heimzuzahlen.« Sie wechselte erneut ihre Kleidung, zu einer Art Reitgewand in glänzendem Grün, das sie jetzt jeden Tag trug. Der Große Schlangenring umgab golden ihren Finger. Sie konnte ihnen nicht alles sagen, aber diese Frauen waren auch Freundinnen und verdienten, das Nötige zu wissen.
    »Verletzter Stolz bleibt länger in Erinnerung als Verletzungen des Körpers.« Bairs Stimme klang dünn und hoch, aber stark - ein eisernes Schilfrohr.
    »Erzählt uns davon«, sagte Melaine mit eifrigem Lächeln. »Wie habt Ihr sie beschämt?« Bairs Stimme klang genauso begeistert. In einem grausamen Land lernte man entweder, über Grausamkeit zu lachen, oder man verbrachte sein ganzes Leben mit Weinen. Im Dreifaltigen Land hatten die Aiel schon lange lachen gelernt. Außerdem wurde das Beschämen eines Feindes als Kunst angesehen.
    Amys betrachtete einen Moment Egwenes neue Kleidung. »Ich denke, das kann warten. Ihr sagtet, wir müßten reden.« Sie deutete auf die Stelle, an der sich die Weisen Frauen gern unterhielten, auf der freien Fläche unter der gewaltigen Kuppel mitten im Raum.
    Warum sie diesen Platz wählten, war ein weiteres Geheimnis, das Egwene nicht enträtseln konnte. Die drei Frauen ließen sich mit gekreuzten Beinen nieder und breiteten ihre Röcke ordentlich aus, nur wenige Schritte von etwas entfernt, das wie ein Schwert aus schimmerndem Kristall aussah und mit dem Heft nach oben aus der Stelle im Boden herausragte, in die es hineingetrieben worden war. Sie achteten jedoch nicht mehr darauf - es wurde in ihren Prophezeiungen nicht erwähnt - als auf die Menschen, die in dem großen Raum blitzartig auftauchten, denn sie kamen stets hierher.
    Das sagenhafte Callandor würde, trotz seiner Erscheinungsform, tatsächlich wie ein Schwert zu handhaben sein, aber es war in Wahrheit ein männliches Sa'angreal, eines der mächtigsten, die im Zeitalter der Legenden jemals geschaffen
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